Gesichtserkennung, königlich


KOPENHAGEN. Das Schwedens Kronprinzenpaar Nachwuchs bekommen hat, dürfte auch in Deutschland kaum jemandem entgangen sein. Schon am Tag der Geburt, dem 23. Februar, wurde ein erstes Bild des Elternpaares mit Babytrage in der Hand publik gemacht – auf Facebook. Das Baby selber  – Estelle Silvia Ewa Mary – war aber nicht zu erkennen. Nun kann sich die Überwachungssoftware hinter dem sozialen Netzwerk freuen, auch die biometrischen Daten der künftigen Thronfolgerin ausrechnen und abspeichern zu dürfen. Denn das erste Babyfoto – geschossen vom Vater Daniel Westling – wurde soeben ebenfalls auf der königlichen Seite bei Facebook publik gemacht. Vielleicht wird die bald reichlich getagt. Svenska Dagbladet und andere berichten natürlich schon fleissig.

Ein königlicher Nachwuchs hat ohnehin kaum eine Chance unerkannt durch die Welt zu gehen, alle anderen, die ihre Bilder bei Facebook hochladen, minimieren ihre Chance damit ebenfalls – auch, wenn viele es immer noch nicht wissen. Dazu ein Text aus der FAZ und ein weiterer als Glosse getarnter interessanter Artikel von Swantje Karich.

Ein Gedicht: Warum das Ende der Beziehung Madeleine-Jonas Bergström die Lebezeit der schwedischen Monarchie verlängert hat


KOPENHAGEN. Kunst bringt einem manchmal Dinge näher, die anders nicht auffallen. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Republic haben sich mehrere schwedische Künstler (und damit meine ich nicht nur bildende) der nun soeben vollzogenen königlichen Hochzeit gewidmet.

Besonders lesenswert ist das Gedicht von Göran Greider. Unter anderem erklärt er nachvollziehbar, warum Madeleines ehemaliger Verlobter die Monarchie erheblich mehr zum Wanken hätte bringen können als es Daniel Westling kann.

Die Lösung ist ganz simpel: Als im noblen Djursholm geborener, aufstrebender Junganwalt strahlt Bergström jene Arroganz der Macht aus, die den Hass auf das Königshaus verstärkt hätte. Von Shakespearchem Format sei er, so Greider. Der eher kleinbürgerliche Daniel Westling bietet dagegen weniger Angriffsfläche, Lindenstraßennievau. Greider schätzte daher Bergström mehr, denn „aus seiner Hand erhebt sich der Sturmvogel der Revolution“.

König von Schweden


KOPENHAGEN. „König von Deutschland“ heißt eines der bekanntesten Lieder von Rio Reiser. Demnach träumen selbst Anarchos davon, die Spitze des Staates nicht unbesetzt zu lassen. Von daher gehen die schwedischen Monarchiegegner weiter als Deutschlands mittlerweile verstorbener anti-autoritärer Ton, Steine, Scherben-Star: Sie schlagen vor, dass Schweden das erste Land ohne Staatschef wird. Mehr dazu in meinem Artikel in der aktuellen Finanial Times Deutschland, der online hier zu lesen ist.

Achja, zur Erinnerung: Am 19.6. heiratet in Stockholm die Thronfolgerin Victoria. Deshalbist die Debatte um die Staatsform in Schweden gerade in vollem Gange und die Republikaner erleben derzeit einen Höhenflug (siehe auch diesen Blogeintrag).

Victoria Westling oder Der kurze Sommer der Monarchie


Abgedankte Victoria in der Hauptrolle - Sydsvenskan veröffentlicht eine Novelle von Jens Liljestrands. (Foto: Bomsdorf)
Abgedankte Victoria in der Hauptrolle - Sydsvenskan veröffentlicht eine Novelle von Jens Liljestrands. (Foto: Bomsdorf)

MALMÖ. Am 19. Juni wird Schweden in den Freudentraumel verfallen. Dann wird die königliche Hochzeit zwischen Kronprinzessin Victoria und dem Bürgerlichen Daniel Westling gefeiert. Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt bekennt sich als Royalist und versucht so auf der Woge der Begeisterung den Wahlsieg im Herbst zu retten. Die Tourismuswirtschaft freut sich über das internationale Interesse, wenngleich dei Hotelbuchungen für die Hochzeitstage zu wünschen übrig lassen.

Gleichzeitig versuchen die Republikaner die Aufmerksamkeit für einen Coup d´etat zu nutzen. In nicht gekanntem Ausmaße sägen sie an der Monarchie: die anti-königlichen Medien wettern gegen die Vererbung der Macht, der Autor Jens Liljestrand veröffentlicht eine Novelle mit einer Victoria Westling in der Hauptrolle, die abgedankt hat (literarisch allerdings keine Meisterleistung) und Comic-Strips von Nina Hemmingsson beziehen Stellung gegen das Königshaus (sehr amüsant, auf Schwedisch in Aftonbladet und ein Beispiel mit deutscher Übersetzung im aktuellen Focus, für den ich Hemmingsson interviewt habe, leider nicht online). Die Unterstützung für die Monarchie ist auf einem Tiefpunkt angekommen, doch noch fehlt eine Mehrheit für die Abschaffung. Die republikanische Vereinigung sieht dennoch nach diesem kurzen Sommer der Monarchie das nahe Ende. 2024, so wird prognostiziert, werde es mehr Monarchiegegner als -befürworter geben.