Besessen von der ehemaligen Besatzungsmacht


KOPENHAGEN. Deutsche Truppen auf dänischem Boden – am heutigen 9. April ist es 75 Jahre her, dass Dänemark vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt wurde. Die dänischen Medien nehmen das zum Anlass über die historische Bedeutung des Datums, das zu Dänemarks Historie gehört wie 1864 (die Niederlage auf den Düppeler Schanzen) und 1992 (der Sieg über Deutschland im Finale der Fußball-EM), zu diskutieren.

Schon ein paar Tage zuvor verkündete der öffentlich-rechtliche Sender DR, dass die Dänen die Deutschen nun lieben würden. Das war das Ergebnis einer aktuellen Umfrage kurz vor dem 75. Jahrestag. In der Tat ist die Deutschland- oder besser gesagt Berlin-Begeisterung seit einigen Jahren groß.

Viele Dänen haben eine Zweitwohnung in der deutschen Hauptstadt oder reisen dort zumindest ständig hin, in Kopenhagen ist es cool Deutsch zu sprechen und Läden und Bars mit deutschen Namen zu versehen. Darüber habe ich schon vor ein paar Jahren für Die Welt geschrieben und vor kurzem griff auch die dpa das Thema auf.

Am 9. April 1940 hat Deutschland auch Norwegen angegriffen. Vor fünf Jahren, zum 70. Jahrestag, stellte Randi Thomessen in ihrer Galerie Lautom den Künstler Victor Lind aus, der sich intensiv mit der Zeit Norwegens unter den Nazis auseinandersetzte und Widerständler sowie Unterstützer in der Ausstellung „Red, yellow and blue – til Gartneren“ thematisierte. Hier mein damaliger Artikel.

Ausspracheübungen auf Isländisch oder RUV-Kollege Ingólfur im deutschen Fernsehen, mehrfach


KOPENHAGEN. Da ich weiß, dass dieser Blog auch von etlichen Isländern gelesen wird, eine kleine Linksammlung zur deutschen Fernsehkarriere von Ingólfur Bjarni Sigfusson. Der stellvertretender Chefredakteur des isländischen öffentlich-rechtlichen Senders RUV ist derzeit mit einem Stipendium der IJP – Internationalen Journalistenprogramme in Deutschland. Und Dank isländischem Pass, bester deutscher Sprachkenntnisse und Journalistenberuf ist er schnell zum beliebten Gast von Talkshows und anderen Fernsehsendungen avanciert.

Hier bei Beckmann, hier in heute in Europa über dieVersuche ausländischer Journalisten Eyjafjallajökull auszusprechen (wie gut, dass ich es nur schreiben können muss..), hier im Morgenmagazin zum Umgang der Isländer mit der Asche (alles ZDF). Das als kleiner Teaser..

Gleichstellung in der Häschenschule und im Passivhaus


KOPENHAGEN. Es ist nicht zu vermeiden, in Sachen Gleichstellung mal wieder verwundert nach Deutschland zu schauen. Nach einigen Wochen außer Landes kämpfte ich mich vor ein paar Tagen in meiner Kopenhagener Wohnung durch einen kleinen Stapel Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, der sich während meiner Abwesenheit angesammelt hatte. In einer Ausgabe ein Artikel über Passivhäuser – eigentlich nicht mein Thema.

Doch da ich kürzlich für die deutsche bauzeitung über Dänemarks Bestrebungen den Energieverbrauch bei Häusern zu senken geschrieben hatte, schaute ich mir die Seite doch genauer an und blieb bei einer schematischen Darstellung hängen. Wie funktioniert denn eigentlich so ein Passivhaus wurde da erläutert und ein einfaches Haus im Querschnitt abgebildet.

Häschenschulen-Passivhaus im Deutschland des 21. Jahrhunderts. (Foto: FAZ/Bomsdorf)
Häschenschulen-Passivhaus im Deutschland des 21. Jahrhunderts. (Foto: FAZ/Bomsdorf)

Gezeigt aber wurde noch viel mehr: Nämlich, wie die Rollenverteilung sich in deutschen Häusern denn so gehört. Rechts unten in der Küche also die Frau am Herd, im Raum links daneben vor dem Fernseher der Mann (nach dem Bier rufend?). Im oberen Stockwerk unter der Dusche, am Busen zu erkennen: Frau Nummer zwei (Tochter? Geliebte? oder einfach die Frau nach der Kocharbeit?). In deutschen Passivhäusern sollen Frauen also kochen und ihre Rundungen unter der Dusche zeigen während der Mann sich vorm Fernseher ausspannt (warum schaut er eigentlich nicht beim Duschen zu?). Sicher, auch hier oben im Norden ist in Sachen Gleichstellung noch einiges zu tun, aber solche klischeehaften Darstellungen sind doch aussagekräftig für Regionen südlich Nordeuropas.

Auf der ersten Seite einer FAZ am Sonntag ein kleiner Text zur Häschenschule. Das alte Bilderbuch wird in der Zeitung fortgeschrieben. Die alte Häschenschule wurde mit folgenden Worten erläutert: „Die Illustrationen stammen von Fritz Koch-Gotha (1877 bis 1956), der in seinen satirischen Zeichnungen das Kleinbürgertum der Zeit einfing: Die Mutter bleibt zu Hause, der Vater geht arbeiten, und in der Schule zieht der Lehrer seinen Schülern die Hasenohren lang.“

Lassen wir das Ohrenlangziehen und die aktuelle Debatte um Mißbrauch an deutschen Schulen einmal außen vor. Aber auch dann stellt sich die Frage: Ist nicht eigentlich die Passivhauszeichnung die  Bestätigung, dass Fritz Koch-Gothas Zeit noch lange nicht vorüber ist?

Drei Farben: Rot, Gelb und Blau


Künstler Victor Lind und Galeristin Randi Thomessen vor Linds gelber Wand. (Foto: Bomsdorf)

OSLO. Der 9. April ist in der norwegischen Geschichte einer der zentralen Daten. Am 9. April 1940 sind die deutschen Truppen in Norwegen einmarschiert und haben das Land bis zum Ende des Krieges besetzt gehalten. Der norwegische König musste und konnte fliehen, ließ sich in England nieder und kehrte erst am 7. Juni 1945 zurück in sein Land. Der vergangene Freitag war also der 70. Jahrestag der Besetzung. Die Bedeutung spiegelte sich in den norwegischen Tageszeitungen wieder, die umfassend an den Einmarsch der deutschen Truppen erinnerten. Auch der Künstler Victor Lind möchte dafür sorgen, dass vieles nicht vergessen wird. In der Galerie Lautom eröffnete am 70. Jahrestag seine Ausstellung „Red, yellow and blue
til Gartneren“
.

Lind setzt sich intensiv mit der norwegischen Geschichte auseinander (in Deutschland war er 2006 in der Kunsthalle Fridericianum in Kassel zu sehen; „Fremd bin ich eingezogen“, kuratiert von René Block). In seiner aktuellen Ausstellung bei Lautom spielen zwei Menschen eine zentrale Rolle: Knut Rød und Rolf Syversen. Der eine (Rød) war zur Nazizeit hochrangiger Polizist in Oslo und half im Herbst 1942 Juden festzunehmen, die an die Gestapo ausgeliefert und später nach Auschwitz deportiert wurden. Nach dem Krieg war er wieder im Dienst und wurde in einem Prozess freigesprochen. Lind spielt in der Ausstellung über altertümlich aussehende Lautsprecher eine Rede ab, in der der ehemalige hochrangige Richter Georg Fredrik Rieber-Mohn Røds Freispruch viele Jahre später verteidigt.

Rote Wand und Heksagram. (Foto: Bomsdorf)

Syversen war Gärtner. Seine Gärtnerei im Zentrum von Oslo musste ständig von Transportern angefahren werden, schließlich galt es die Pflanzen zu transportieren. Syversen nutzte den vielen Straßenverkehr mit großen Wagen, um darin Juden und andere aus der Stadt und dann nach Schweden zu bringen. Über 1000, so Lind, rettete er so das Leben. Lind zeigt ein altes Foto von Syversen bei der Arbeit als Gärtner in einem seiner Gewächshäuser, daneben blaue Blumen.
Syversen selber flog auf und wurde erschossen.

Der Gärtner und die blauen Blumen. (Foto: Bomsdorf)

„Rød und Syversen, das sind zwei Möglichkeiten, wie damals gehandelt werden konnte. Ein Weg führte nach Auschwitz, der andere nach Schweden“, so Lind. Rød und Syversen hatten aufgrund ihres Handelns unterschiedliche Schicksale. Der Helfer der Flüchtlinge Syversen wurde hingerichtet, der Helfer der Gestapo blieb in Amt und Würden. Gleiche Basis, unterschiedliche Möglichkeiten – das zeigen auch die anderen Werke der Ausstellung: eine gelbe Wand, eine rote Wand und zwei verschiedene Sternformationen. Je nachdem wie diese vier Elemente kombiniert werden, ergibt sich eine unterschiedliche Symbolik: der gelbe Davidstern, mit dem die Juden sich zur Nazizeit kennzeichnen mussten, der rote Kommunistenstern, der in der sowjetischen Flagge gelb gerandet auftaucht.