Europäische Kulturhauptstadt Aarhus schaut aufs Land


Theater in der Kulturhauptstadt Aarhus (Foto: Bomsdorf)
Theater in der Kulturhauptstadt Aarhus (Foto: Bomsdorf)

AARHUS/KOPENHAGEN. Gleich am Tag nach dem Donald Trump zum US-Präsidenten gekürt wird, übernimmt das dänische Aarhus die Rolle als Europäische Kulturhauptstadt 2017 (zweite im Bunde ist dieses Jahr Pafos in Zypern). Kurz nachdem einer, der von der EU wenig hält, seine Position an der Spitze der US einnimmt, versucht ebenjene Institution bei Ihren Bürgern einmal mehr ein Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen.

Dass Aarhus zur europäischen Kulturhauptstadt 2017 in Dänemark ernannt wurde, hat in Norddeutschland viele enttäuscht. Schließlich hatte sich Konkurrent Sonderburg mit Flensburg beworben und hätte so – obwohl noch gar nicht wieder an der Reihe – auch Deutschland zu ein wenig europäische Kulturhauptstadt verholfen.

Nun also Aarhus und auch das hat für Norddeutschland seinen Reiz. Schließlich ist es von Hamburg in nur ein paar Stunden zu erreichen. Zudem wird ein großer Teil Dänemarks mit einbezogen.

Zu einer Zeit, wo immer mehr von abgehängten Randgebieten die Rede ist, setzt Dänemark auf die weniger bekannten Ortschaften und versucht Gäste dorthin zu locken und den Einheimischen etwas zu bieten.

Die bildende Kunst nimmt einen ziemlich großen Raum ein. Internationale Zugpferde wie Olafur Eliasson (darf in Dänemark, wo er aufgewachsen ist, eigentlich nie fehlen), Barbara Kruger und Thomas Hirschhorn werden mit weniger bekannten Namen kombiniert.

Gleich zu Anfang, ab 21. Januar, wird Signe Klejs für „Hesitation of lights“ eine zentrale Brücke in Aarhus in wechselndes Licht tauchen. Sie bezieht sich auf den dänischen Astronomen Ole Rømer, der herausfand, das Licht sich bewegt. Viele Besucher werden aber wohl eher an Eliassons bunte begehbare Installation auf dem Dach des nahen Museums Aros denken.

Randers wird mit seinem Gaia Museum für Outsider Art einbezogen und in Silkeborg eröffnet die Osloer Schau, die Asger Jorn und Edvard Munch zusammenbringt.

In Herning, nicht weit von der bei Surfern und Familien aus Deutschland so beliebten dänischen Nordsee wird die diesjährige Ausgabe der „Socle du Monde Biennale“ ins Programm einbezogen.

Auch das Dänemark fernab der Großstadt Aarhus wird mit ins Programm aufgenommen. (Foto: Bomsdorf)
Auch das Dänemark fernab der Großstadt Aarhus wird mit ins Programm aufgenommen. (Foto: Bomsdorf)

Das dortige Kuratorenteam ist ganz anderen Biennalen würdig, so gehört dazu auch Daniel Birnbaum, früherer Venedig Biennale Kurator und jetzt Direktor des Moderna Museet in Stockholm. Die Biennale in Herning ist – der Titel lässt es erahnen – dem italienischen, aber etliche Jahre in Dänemark lebenden Piero Manzoni gewidmet. Der hat einst in Herning einen Sockel aufgestellt auf der die ganze Erdkugel ruhen soll. Im kommenden Jahr wird die Ausstellung sich dem Thema „Scheiße und Körper“ widmen. Das steht zwar so nicht offiziell im Programm, so fasste es im Gespräch in Aarhus aber eine Mitarbeiterin mit der vielen Dänen so üblichen bodenständigen Offenheit zusammen.

Wer die Liste der beteiligte Künstler anschaut, kann sich schon denken, warum sie die Thematik so zusammengefasst wird. Wim Delvoye wird sein künstliches Verdauungssystem „Cloaca“ zeigen und Pierre Manzonis „Merda d’artista“ gehört ohnehin zum örtlichen Museum.

Im Jorn Museum in Silkeborg wird ab Mitte Februar die Schau „Jorn + Munch“ aus dem Osloer Munch Museum gastieren (zum Konzept der Ausstellungsserie mehr in meinem Artikel für The Wall Street Journal zur Ausstellung Melgaard + Munch).

Natürlich ist auch der in Dänemark aufgewachsene und in Berlin arbeitende isländische Künstler Olafur Eliasson mit von der Partie in Aarhus (nicht aber in Herning). Er ist durch seine Mitarbeit am Bühnenbild für das aus New York kommende Ballet „Tree of Codes“ vertreten. Tickets dafür versucht Aarhus 2017 seit Wochen wie ein Circus unter die Leute zu bringen, indem behauptet wird, es sei nun aber wirklich bald ausverkauft.

Edvard Munch Preis 2.0 an Camille Henrot


Edvard Munch Art Award - Munch's Madonna
Edvard Munch Art Award – Munchs Madonna (Foto: Munch Museum)

KOPENHAGEN. Wie kürzlich hier (und von mir in The Art Newspaper) berichtet, wird neuerdings der Edvard Munch Preis (The Edvard Munch Art Award) vergeben – nachdem ein früherer Versuch einen Edvard Munch Preis zu verliehen mehr oder weniger gescheitert war.

Kurzes Update: Der diesjährige Preis geht an die franzöische Künstlerin Camille Henrot. Die Preisverleihung wird am 12. Dezember – Munchs Geburtstag – in Oslo stattfinden und danach alle zwei Jahre wieder.

Edvard Munch Art Award - Preisträgerin Camille Henrot (Foto: Munch Museum)
Edvard Munch Art Award – Preisträgerin Camille Henrot (Foto: Munch Museum)

Auf ein Neues mit Edvard Munch und Carolyn Christov-Bakargiev


OSLO. Nachdem der ursprüngliche Edvard Munch Preis vor einiger Zeit einfach so von einem aufs andere Jahr nicht mehr vergeben wurde (was Munch-Experten wie Dieter Buchhart im Interview mit mir für The Art Newspaper kritisiert haben, die Geschichte ist aber leider nicht online zu lesen), hat das Munch Museum einen neuen Munch-Preis etabliert (meine Nachricht bei The Art Newspaper dazu hier).

Die Fehler des Office for Contemporary Art (OCA)  sollen nicht wiederholt werden, deshalb hat Museumsdirektor Stein Olav Henrichsen die Finanzierung des Preises bereits für die kommenden zehn Jahre gesichert. Die erste Preisverleihung findet am 11. Dezember 2015 – dem Vorabend von Munchs Geburtstag – in Oslo statt und der Preis wird fortan alle zwei Jahre vergeben werden. Der Preis ist mit rund 50 000 Euro und einer Ausstellung im Munch Museum dotiert. Geehrt werden zeitgenössische Künstler.

Nach einer Reise noch Oslo und dem Besuch der dortigen Vigeland+Munch-Ausstellung kann ich hier auch die Jury bekannt geben. Dieser gehören an: Alfred Pacquementc (Vorsitz), Carolyn Christov-Bakargiev (als vormalige documenta-Chefin wohl die Bekannteste in der Jury), Robert Storr, Hou Hanru und Solveig Øvstebø.

Der vorherige Munch-Preis hatte trotz Ambitionen und Ansiedelung bei OCA, das auch für den norwegischen Beitrag auf der Venedig Biennale verantwortlich ist, international wenig Aufmerksamkeit erlangt. Entscheidend ist den Preis langfristig zu etablieren (das hat Henrichsen bereits geschafft – s.o.), die Frage aber, ob ein Preis mehr dem Verleiher oder Geehrten mehr nutzt, wird bleiben.

Albertine oder vom Missgeschick der Tugendwächter


Kopie und Studien zu Christian Krohgs "Albertine im Wartezimmer des Polizeiarztes" im Kunstverein Gammel Strand, Kopenhagen
Kopie und Studien zu Christian Krohgs „Albertine im Wartezimmer des Polizeiarztes“ im Kunstverein Gammel Strand, Kopenhagen

KOPENHAGEN. Sex sells, das ist nicht neu. Doch so viel Prostituierte im Kunstverein Gammel Strand in Kopenhagen derzeit auch zu sehen sind, expliziter Sex wird nirgends dargestellt. Warum auch.

Dennoch hat der norwegische Maler Christian Krohg (1852-1925) vor über hundert Jahren mit seiner Darstellung von Prostituierten für einen Skandal gesorgt. Die Zensur war schnell zur Stelle als er „Albertine“ publik machte.

„Albertine“ so heißt die Näherin, die zur Prostituierten wurde und von Staat und Gesellschaft verachtet wurde, und deren Geschichte Krohg erzählt.

Doch weniger als das gemalte „Albertine“-Bild sorgte der gleichnamige Roman von Krohg für einen Skandal. Dabei hatte er nichts anderes getan als die Lebenswirklichkeit in seiner Heimatstadt darzustellen. Dort war Prostitution nämlich verboten, gleichzeitig durften die Prostituierten sich nicht zu jeder Zeit frei auf der Straße bewegen und mußten sich regelmäßig beim Polizeiarzt melden und über etwaige Geschlechtskrankheiten Buch führen. Diese Dokumente wurden so gut aufbewahrt, dass viele davon noch in Oslo im historischen Archiv zugänglich sind.

Nachdem die Prostituierten in der norwegischen Hauptstadt Oslo sogar Teile der Fußgängerzone bevölkerten, ist Norwegen vor einigen Jahren dem Beispiel Schweden gefolgt und hat den Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe gestellt. Anders als zu Krohgs Zeiten soll nicht die Prostituierte, sondern der Freier bestraft werden.

Krohgs Bilder sind ein guter Anlaß darüber nachzudenken, wie manche Probleme über Jahrhunderte verschleppt werden und inwieweit der Staat mit Gesetzen möglicherweise zu Stigmatisierungen beiträgt. Krohg sah die Prostituierten nicht als Muse der Männer wie es andere Künstler taten, sondern als Opfer – der Gesellschaft, der Männer und von Polizeibeamten. Er schrieb und malte nicht nur Alltagsszenen aus deren Leben, sondern heuerte sie auch als Modelle an und zwar um die rauhe Seite von deren Lebenswirklichkeit zu zeigen.

Gleichzeitig strahlen die Frauen häufig jene Würde aus, die auch der schwedische Maler Anders Zorn (1860-1920) seinen Modellen gab – gleich welcher Herkunft.

Wer je in der Osloer Nationalgalerie war, dürfte das in Lebensgröße gemalte Porträt von Albertine und den anderen Prostituierten gesehen haben. Lange hing es unübersehbar im Treppenhaus, nun ist es in einen Saal umgezogen worden. So sollen Besucher viel mehr den Eindruck haben, der Szenerie auf Augenhöhe zu begegnen und ein Teil davon zu werden.

Weil das Gemälde nicht ausgeliehen wird, ist in Kopenhagen nur eine Kopie zu sehen. Glücklicherweise beging man im Kunstverein Gammel Strand nicht den Fehler und präsentierte eine gerahmte Kopie auf Leinwand. Zwar hätten viele so womöglich den Eindruck bekommen, es handle sich um das Original, doch das Motiv direkt auf die Wand aufzutragen, ist ehrlicher und würdigt den Malprozess. Daneben sind zwei kleine Studien zu sehen. Sie zeigen das Krohg ein Foto als Vorlage erstellte. Echte Prostituierte stellten sich als Modelle zur Verfügung, während der Maler die Rolle des Polizeiarztes übernahm.

Mehrfach gemalt hat er auch seine (spätere) Frau Oda. Mit in die Hüften gestemmten Händen lächelt sie selbstbewusst auch auf dem Katalog. In gleicher Kleidung und Positur ist sie von ihm ein paar Jahre später nochmals gemalt worden. Der Katalog zeigt, dass Oda eindeutig in derselben Positur auch in einer Arbeit Edvard Munchs (Kristiania Boheme II, 1895) auftaucht. Hier steht sie im Hintergrund am Ende eines Tisches, an dem rauchende und trinkende Männer sitzen. Während Krohg sine Lebenspartnerin als anpackende, fröhliche Frau zeigt, stellt Munch (1863-1944) sie als Femme Fatale dar. Da ist es, das bohemische Kristiania (heute Oslo), das der Ausstellung den Titel gab.

„Christian Krohg – Tiden omkring Kristiania Bohemen“, kuratiert von Anne Kielgast, Gl Strand und Vibeke Waallann Hansen, Norwegisches Nationalmuseum, ist noch bis 1. Juni 2014 zu sehen in Kunstforening Gammel Strand in Kopenhagen.

Munchs Müll


KOPENHAGEN. Auf der Jagd nach Unbekanntem aus dem Leben der Prominenten gehen Journalisten und andere Neugierige auch gerne mal an deren Müll. Das Fotografenpaar Bruno Mouron und Pascal Rostain hat den Inhalt der Abfalltonne von Madonna und anderen Stars fein drapiert und fotografiert. In Norwegen ist in den vergangenen Monaten der Müll eines anderen weltbekannten Mannes ausgegraben worden: Der des Malers Edvard Munch (1863-1944). In der Erde seines Ateliergrundstücks wurde noch viel mehr gefunden. Dazu hier ein Text von mir aus The Art Newspaper.

Warhol zeichnet schwarz-weiß


KOPENHAGEN. Im dänischen Louisiana Museum werden noch bis Anfang März frühe Zeichnungen Andy Warhols ausgestellt. Dazu habe ich heute einen Artikel in The Wall Street Journal. . Online ist dieser hier zu lesen und gestern gab es noch ein Video-Interview zum Thema in WSJ Lunch Break. Ein etwas ausführlicherer Text hier auf Deutsch:

Der Gesichtsausdruck des jungen Mannes auf dem Bild erinnert an die Porträts von Egon Schiele, ebenso wie die Kleider Falten werfen und die Hand mit ihren knöchrigen Fingern. Doch statt sich lasziv oder verträumt dem Betrachter hinzugeben wie es Schieles Porträtierte gerne tun, setzt dieser sich gerade einen Schuss in die Venen des linken Armes. Das passt eher zu einer Fotografie von Nan Goldin. Tatsächlich sind die frühen Zeichnungen Andy Warhols, die im Frühjahr erstmals in einer Museumsausstellung zu sehen sein werden, eine besondere Mischung. „Unser Haus hat viel Warhol gezeigt und besitzt einige Werke. Ich finde das Material extrem interessant, weil es eine unbekannte Seite des großen Pop-Art-Künstlers offenbart“, sagt Poul Erik Tøjner, Direktor des dänischen Museums Louisiana und Kurator der Ausstellung. Auf dem Stand des Münchener Galeristen Daniel Blau entdeckte er bei der Art Basel die Zeichnungen Warhols. „Hier wird der Öffentlichkeit erstmals gezeigt, wie Warhol bevor er bekannt wurde gezeichnet hat und da lässt sich ein leichter Strich erkennen und gleichzeitig Themen wie Schmerz und Oberflächlichkeit“, so Tøjner. Rund 200 Arbeiten hat er aus dem Bestand von Blau ausgewählt. Darunter auch „Tom“ (1954), ein androgyner Jüngling im Profil, der an David Bowie vor ein paar Jahrzehnten erinnert als wäre er damals von Wolfgang Joop gezeichnet worden. „Warhols damalige Ästhetik und die der Mode und Modefotografie oder –zeichnung liegen nah beieinander“, sagt der Kurator.

Vor ein paar Jahren zeigte Louisiana, ebenfalls von Tøjner kuratiert, Warhol und Munch in einer gemeinsamen Ausstellung. Damals wurden jene Munch-Motive, die der Amerikaner in seiner Art reproduziert hatte, ausgestellt. Diesmal stehen die frühen Zeichnungen Warhols für sich alleine. „Warhol ist einer der wenigen Künstler, dessen Werk jedem Museumsbesucher in irgendeiner Weise ein Begriff ist. Das macht es möglich, dass sich die Leute voll auf seine Zeichnungen, die sie ja noch nie gesehen haben, konzentrieren und diese für sich entdecken können.“

Der Schrei: 1x in New York für 6 Monate, 2x und mehr in Oslo auf ewig


KOPENHAGEN. Ab Oktober wird Evard Munchs wohl berühmtestes Bild „Der Schrei“ für sechs Monate im MoMA in New York ausgestellt werden. Es handelt sich um die in Frühjahr versteigerte Version aus dem Besitz des Norweges Petter Olsen (hier meine Geschichte über den Hintergrund der Versteigerung für Die Welt, hier ein Sammler-Porträt, das ich für artnet über Olsen schrieb) . Das ist schön für New Yorker und die Besucher, die dorthin kommen.

Erinnert sei aus diesem Anlaß aber auch noch einmal daran, dass in Oslo sowohl die Nationalgalerie als auch das Munchmuseum weitere Schrei-Gemälde haben, die sind dort nicht nur für ein paar Monate, sondern auf ewig zu sehen (wenn diese nicht gerade im Magazin liegen). Außerdem gibt es natürlich noch einige graphische Versionen des Motivs, das zu den bekanntesten der Kunsgeschichte gehört.

Munch mal wieder


KOPENHAGEN. Kaum war der Hammer für Munchs „Schrei“ bei mehr als 100 Mio. US-Dollar gefallen, fragte man sich in Norwegen auch schon: Was kann uns das nutzen? Kultur und Politik wollen die Aufmerksamkeit von dem Auktionsrekord auf das Land und dessen Kunstszene lenken. Zu dem Thema morgen, Dienstag, 29. Mai, ein Beitrag von mir bei WDR 3 Resonanzen.

Passenderweise kam die Arbeiterpartei (Ap) in Oslo (dort in Opposition, doch national ist sie die größte Regierungspartei) am vor wenigen Tagen mit dem Vorschlag die U-Bahn-Station beim Munch-Museum doch von Tøyen in „Munch-museet“ umzubenennen. Ap gehört zu jener Minderheit, die den Neubau des Munchmuseums am Platze des derzeitigen Gebäudes realisieren möchte. Derzeit gibt es für keine der Alternativen des neuen Munch-Museums im Stadtrat von Oslo eine Mehrheit. (Zum Thema auch mehr von mir bei artnet, The Art Newspaper und Deutschlandradio Kultur – letzterer Beitrag zeigt, dass das Thema neues Munch-Museum schon lange diskutiert wird.)