The Danish Girl – gemalt


KOPENHAGEN. In Deutschland seit ein paar Tagen im Kino hat der Film „The Danish Girl“ über eine der ersten Transgender-Personen schon viel Aufmerksamkeit bekommen. Auf Maler-Leinwand kann die Geschichte von Lili, die von ihrer Frau Gerda Wegener immer wieder porträtiert wurde, noch bis Mai im Museum Arken vor den Toren Kopenhagens in einer Wegener-Retrospektive betrachtet werden. Für die Kunstzeitung hatte ich bereits einen Bericht darüber geschrieben (nur in der gedruckten Ausgabe), heute folgte noch meine aktuelle Kritik bei art und eine Langversion gibt es hier:

Es ist die Zeit, in der Vieles möglich war – die 1920er Jahre. Jugendstil, Frauen mit Jungsfrisuren, Feste und Freiheit standen hoch im Kurs ehe der Zweite Weltkrieg begann. Die Freiheit und unbeschwerte Freude in den Jahren davor strahlt aus den vielen Bildern der dänischen Künstlerin Gerda Wegener, die im Paris der 1920er berühmt wurde.

Ein häufig wiederkehrendes Motiv ist die junge Frau Lili Elbe. Lili in Italien, Lili in Frankreich im Badeanzug, Lili nackt von hinten auf einem Sessel. Immer wieder Lili, Lili, Lili.

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Einar Wegener als Maler (hinten) und Lili Elbe (vorne liegend) – „Ein Sommertag“ (1927). Foto: Bruun Rasmussen Auctioneers

Lili ist Gerdas Mann Einar als Frau. Einar Wegener, ebenfalls Maler, posierte nicht nur als Frau, sondern fühlte sich auch als solche und war einer der ersten Personen, die sich schon 1931 einer geschlechtsanpassenden Operation unterzogen. Und starb dann wohl an den Folgen.

Unter dem Titel „The Danish Girl“ hat der Oscar-gekrönte Regisseur Tom Hooper (The King’s Speech; Les Miserables) das Leben der beiden verfilmt. Die Schwedin Alicia Vikander spielt Gerda, die Rolle von Lili/Einar Eddie Redmayne in dem Film, der seit 7.1. in Deutschland in den Kinos ist. Das Museum Arken vor den Toren Kopenhagens zeigt zeitgleich Wegeners umfassendes Werk.

„Gerda Wegener hat mit dazu beigetragen, die Grenzen für die weibliche Geschlechtsidentität zu sprengen“, so der Kunsthistoriker Christian Gether. Wegener, sagt er, sei in allen Bereichen ein Pionier gewesen. Für das von Gether geleitete Museum Arken Grund genug, der Künstlerin die nach eigenen Angaben bisher größte Einzelausstellung zu widmen.

Tatsächlich strahlen viele ihrer Bilder die für diese Zeit so typische Ausgelassenheit und weibliches Selbstbewusstsein aus. Das gilt für die Reklame für Gesichtscreme (Frau mit Maske, 1918-25) ebenso wie für die vielen Bilder, die Szenen aus der Künstlerkolonie im französischen Beaugency zeigen (z.B. An den Ufern der Loire, ca. 1924) und erst recht die vielen in Szene gesetzten Porträts von Lili Elbe.

Anfangs schlüpfte Einar vor allem für die Bilder in die Rolle der Lili, später wollte sie dauerhaft physisch und juristisch Frau sein und wurde einer der ersten Menschen überhaupt, die sich einer entsprechenden Operation unterzogen. Wegener ging zu Magnus Hirschfeld in Berlin und benötigte mehrere Operationen, kurz nach der vierten verstarb sie. In ihren Bildern hat Wegener, die knapp zehn Jahre später starb, Elbe und ihrem und damit auch anderer Leute Wunsch ein anderes Geschlecht zu haben, ein künstlerisch interessantes Denkmal gesetzt.

„In der Sommerwärme (Lili)“ (1924) zeigt einen weiblichen Körper als auf einen Sessel geschlungenen Rückenakt. Nur der Zusatz Lili lässt vermuten, dass der Körper doch nur weiblich wirkt, denn es war Jahre vor der ersten Geschlechtsoperation, der sich Einar/Lili unterzog, dass das Bild entstand.

Bei genauerem Hinsehen könnte das bisschen Brust, das von der Seite zu sehen ist, auch männlich sein und die Malerei ermöglicht ohnehin vorab Lili weiblicher zu zeigen als es Einars Körper war.

Im Museum hängend ist die Arbeit nicht nur ein Kunstwerk mit recht klassischem Motiv, sondern auch ein Ausgangspunkt für Aufklärung. Zwar ist die dänische Ausstellung – wie so viele – vor allem von Erwachsenen in den 50ern und darüber besucht, doch es schwirren auch ein paar Kinder umher. Ein in etwa siebenjähriger Junge der das Werk mit seiner vermutlichen Mutter betrachtet, bekommt von ihr zu hören, dass es Menschen gibt, die zwar in einem Männerkörper geboren wurden, sich aber operieren lassen könnten, um ganz Frau zu sein. „Schau mal, das ist ein Mann, der hier aber ganz weiblich aussieht“, sagt sie und fragt wieso man denn nicht erkennen könne, dass es ein Mann sei. „Der Pippimann ist gar nicht zu sehen“, sagt der Kleine und ist überhaupt nicht erstaunt als er darauf hingewiesen wird, das Ärzte Geschlechtsanpassungen operativ machen könnten.

Wegener hat längst nicht nur Einar/Lili porträtiert und ihrem Partner dadurch wohl geholfen der eigenen Identität näher zu kommen, sondern auch sonst viele Frauen in Posen gezeigt, die Freiheit und Vergnügen ausstrahlen. So stellte sie Gleichstellung gleichermaßen als Selbstverständlichkeit dar.

Da ist etwa „Mädchen und Mops im Auto“ (ca. 1927). Eine junge Frau in eleganter Tracht und für diese Zeit so typischen Garconne-Kurzhaarschnitt sitzt in einem roten Cabrioletsportwagen. Nicht nur eine schicke Darstellung einer Frau am Steuer, sondern sie ist auch noch ohne männliche Begleitung unterwegs, auf dem Beifahrersitz hat ein Mops Platz genommen. Diese Frau ist so selbständig, das sie nicht nur selber Auto fährt, sondern womöglich auch noch ohne einen Mann durchs Leben schreitet.

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Frau am Steuer, na und? Gerda Wegener „Mädchen und Mops im Auto“ (ca. 1927) Foto: Morgen Pors

Für mancheinen Mag dieses Motiv vor gut 90 Jahren so provokant gewesen sein wie heutzutage eine Frau in Saudi-Arabien am Steuer. Der einzige Mann, der auf Wegeners „Mädchen und Mops im Auto“ zu sehen ist, reitet im Hintergrund in die entgegengesetzte Richtung auf einem Pferd, das so schick es auch ist, im Vergleich zum Automobil als eher altertümlich angesehen wurde.

Manche von Wegeners Arbeiten erinnern an welche von Toulouse Lautrec oder Edvard Munch, doch das ist mehr ästhetisch, die Dänin strahlt in ihrem Werk mehr Ausgelassenheit aus und weniger Ambiguität als diese beiden männlichen Kollegen. Besonders für Besucher der Berliner Ausstellung „Tanz auf dem Vulkan“ ist Wegener erhellend.

Sehr gelungen ist in Arken, dass wer aus der Ausstellung herausgeht, auf zeitgenössische Werke zuläuft, die Geschlechteridentitäten und -fragen thematisieren. Da ist eine Arbeit von Shirin Neshat zu sehen und ein Videowerk von Jesper Just, der immer wieder die Rolle vermeintlich starker Männer in Frage stellt. Und in den Räumen nebenan die Arbeiten von Bjørn Wiinblad, der Däne mag international bekannter sein als Wegener, doch im Vergleich zu ihren Arbeiten verkommen seine fast zu rein dekorativen.

From India with Colour


Blick in den Raum mit indischer Mode im Kunstmuseum Arken. (Foto: Bomsdorf)
Blick in den Raum mit indischer Mode im Kunstmuseum Arken. (Foto: Bomsdorf)

KOPENHAGEN. Vergangene Woche eröffneten im Museum Arken vor den Toren Kopenhagens die Ausstellungen „India: Art Now“ und „India: Fashion Now„. Besonders der Modeteil war sehr beeindruckend und wenngleich Farben dominierten, gab es einige monotone, aber raffinierte und wunderschöne Entwürfe in Schwarz. Aus Zeitgründen dazu hier nicht mehr, sondern lediglich ein Verweis auf meine kurze Vorschau, die ich für art schrieb.

Die alte Dame mit dem Hirst / The old lady with the Hirst


KOPENHAGEN. Ok, let’s write it in English. COPENHAGEN. It is impossible not to be aware of: Damien Hirst opens a huge (what else?) show in London (Tate off course), just weeks after he showed his spot paintings in all branches of the Gagosian gallery chain. If I remember right I saw a work by him for the first time at Astrup Fearnley in Oslo, but it might also have been in Cologne. However, while London is preparing for this huge show his biggest spot painting is hanging in Copenhagen, Denmark. And almost nobody knows. An autumn day last year Danish, but London based collector and heiress Jytte Dresing took Jay Jopling and Damien Hirst to Copenhagen in order to donate the world’s so far biggest spot painting to the Arken museum, located just outside Copenhagen. Unfortunately people cared much less than the patron and the museum probably had hoped and despite me no international journalist came to the presentation of the piece. Well, you can think what you want about that work, but it was a theatrical presentation Dresing gave when entering the room accompanied by two of the most powerful man in the art world (who did walk half a meter behind here at least it seemed to me like that, each was on one of her sides). Pity, Michel Houellebecq was not there.

However, in The Art Newspaper we had only very little space to announce this donation. After all it is one of thousands. But fortunately I could write a longer story for German art, which can be read here.

Reyles Strategies against Architecture


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KOPENHAGEN. Nicht Einstürzende Neubauten, sondern die Fassade eines Altbaus bildet den Kern des besten Werkes von Anselm Reyle in seiner aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Arken südlich von Kopenhagen. In Wernigerode – der Name der Stadt ist zugleich Titel der Arbeit – entdeckte er einst ein Haus mit einer hellblauen Fassadenverkleidung. Es muss absolut fehl am Platze ausgesehen haben, wie so manche Fassade, davon zeugt ein Bild im Ausstellungskatalog. Reyle aber kehrte die schreckliche Ästhetik ins Gegenteil um, indem er aus der Fassade ein beinah-Ready-Made und also Kunst machte. Er ließ diese entfernen, den Giebel abnehmen, so dass nur ein Rechteck – die typische Form einer Leinwand und damit von Kunst – blieb und hängte das Material um einen Rahmen (aus gebürstetem Aluminium?) ergänzt auf. Fertig das Werk. Beginnen kann hier das Nachdenken über Ästhetik, über falsches Material an bestimmten Plätzen, über die Verschandelung der Städte und Orte und die Schönheit von Kunst basierend auf industrieller Produktion.

Auch andere Werke der Ausstellung sind sehenswert. Seine Tableaus mit einfarbig überzogenem Sammelsurium lassen an Daniel Spoerris Eat Art Ferienhaustisch aus ausgerechnet Dänemark denken. Doch wirkt alles etwas sauber, zu museal, das liegt viel an der Präsentation und den Räumlichkeiten. Reyles neuere Arbeiten sind damit aber in etwa so steril und sauber wie die neueren Lieder der Einstürzenden Neubauten – Strategies against Architecture das war einmal.

Für art online schrieb ich über Anselm Reyles  aktuelle Ausstellung (hier ein älterer Text zu einer anderen Ausstellung Reyles mit ebenjenem Wernigerode – geschrieben von einem anderen).