Kein Profit mit Nuklearwaffen – NGO lobt norwegischen Ölfonds


PAX und ICAN bitten: "Don't Bank on the Bomb". Der norwegische Ölfonds macht's vor. (Bild: Pax)
PAX und ICAN bitten: „Don’t Bank on the Bomb“. Der norwegische Ölfonds macht’s vor. (Bild: Pax)

Nachhaltiges Investieren ist in letzter Zeit ein großes Thema geworden. Dabei geht es nicht nur um ökologische Kriterien, sondern auch andere Vorgaben, die dazu beitragen sollen, dass das eigene Geld die Welt nicht schlechter macht, um es einmal so plakativ auszudrücken. Laut Verbraucherzentrale Bremen (Daten von 2017) wollen 75 % das Geld ihrer Altersvorsorgeprodukte nicht für die Rüstungsindustrie hergeben. Auch der norwegische Ölfonds hat sich ethische Richtlinien gegeben, die unter anderem Profit mit Nuklearwaffen ausschließen. Dazu gehören auch Hersteller, die Produkte anbieten, die für die Atomwaffennutzung gedacht sind. Damit boykottiert der Fonds unter anderem die Flugzeughersteller Airbus und Boeing (Details sowie andere Unternehmensnamen auf der schwarzen Liste bei NBIM).

Die Nichtregierungsorganisation PAX hat gerade ihren jährlichen „Don’t Bank on the Bomb“ herausgebracht, indem analysiert wird, wie Investoren mit  Nuklearwaffen Geld verdienen. Während etliche Banken Kritik einstecken müssen, wird der norwegische Ölfonds lobend erwähnt. Eben weil er nicht nur die Atombombenhersteller selber, sondern ebenfalls verbundene Produzenten ausschließe (so erst kürzlich).

Blick auf den Osloer Hafen mit den Rathaustürmen. (Foto: Bomsdorf)
Blick auf den Osloer Hafen mit den Rathaustürmen. (Foto: Bomsdorf)

Den Bericht publiziert PAX übrigens nicht alleine, sondern zusammen mit ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear weapons). Der Name kommt bekannt vor? Kein Wunder, ICAN hat 2017 den Friedensnobelpreis erhalten – in der norwegischen Hauptstadt Oslo.

Als Privatinvestor können Sie ebenfalls versuchen, Ihr Geld Waffenproduzenten zu entziehen. Das geht, indem Sie keine Aktien dieser Unternehmen kaufen. Wenn Sie mit ETFs investieren, müssen Sie ganz einfach darauf achten, die Varianten zu kaufen, die auf ethische Versionen von Indizes setzen. Der Indexanbieter MSCI, auf den sich viele ETFs beziehen, kennzeichnet diese mit dem Kürzel SRI.

Sind Sie neugierig geworden, was es noch so für Möglichkeiten gibt, nachhaltig zu investieren, wie es die Norweger machen? Mehr erfahren Sie in meinem Buch, das am 12. April bei Campus erscheint. Bleiben Sie auf dem Laufenden, indem Sie hier meinen Newsletter abonnieren.

Ivar 50, Ingvar 91 (†)


IKEA Teelichte (Foto: Bomsdorf)
IKEA Teelichte (Foto: Bomsdorf)

Vorgestern noch ging ich durch eine der riesigen IKEA-Hallen und hörte aus den Lautsprechern, dass das Regal Ivar 50 Jahre alt werde. Natürlich bot „das unmögliche Möbelhaus“ auf das ohnehin schon preiswerte hölzerne Modulmöbel aus Anlass des Geburtstages nochmal Extrarabat.

Heute nun ist vermeldet worden, dass Ingvar Kamprad, der Gründer und bis zuletzt Aushängeschild der aus Südschweden stammenden Ladenkette gestorben ist. 91 Jahre wurde er alt. Über einen bevorstehenden Generationenwechsel schrieb ich schon vor gut fünf Jahren für die Financial Times Deutschland:

„IKEA-Gründer Ingvar Kamprad ist immer für Schlagzeilen gut. Derzeit hält er die schwedische Wirtschaftspresse mit Geschichten über seinen angeblichen Rückzug aus dem Imperium der unmöglichen Möbelhäuser in Atem. Die Zeitung Expressen hat gestern berichtet, dass der Unternehmensgründer sich mit nunmehr 86 Jahren aufs Altenteil zurückziehen wolle. Stattdessen sollten seine drei Söhne die Verantwortung im Konzern übernehmen. „Den Generationswechsel wird man natürlich merken können. Ingvar wird nicht länger dabei sein und seine Ansichten äußern, Rat und Unterstützung leisten, wie er es immer getan hat“, zitiert das Blatt Göran Grosskopf, den Aufsichtratschef der IKEA-Muttergesellschaft Ingka. Das klingt schon sehr nach Trauerrede auf einer Beerdigung. Entsprechend groß war die Aufregung in Schweden als der Artikel erschien.

Doch kaum waren diese Zitate in die schwedische Welt posaunt worden, machte der Konzern wieder einen Rückzieher. Das sei aus dem Zusammenhang gerissen und falsch verstanden worden, hieß es nun. „Ich muss unterstreichen, dass keine Veränderung ansteht“, so eine Sprecherin gegenüber di.se, der Online-Ausgabe von Schwedens Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“. Auch Grosskopf machte einen Rückzieher. Dabei hat Expressen sich auch auf eine offizielle IKEA-Publikation bezogen. In der kommenden Nummer der Mitarbeiterzeitung nämlich würden die drei Söhne als neue Machthaber eingeführt. Tatsächlich heißt es darin wohl, dass Kamprad in Zukunft „eine etwas weniger aktive Rolle“ spielen wolle. Offiziell wird er derzeit als Senioratgeber geführt. Das kann alles oder nichts heißen, schließlich ist Seniorratgeber sowohl für den wahren Machthaber im Hintergrund eine gute Dienstbezeichnung als auch für den Machtlosen, der noch einen gut klingenden Titel braucht. Jedenfalls solle Kamprad Seniorratgeber bleiben, heißt es IKEA. Auch dort ist diese Position recht unklar definiert und weil IKEA als nicht notiertes Privatunternehmen nur wenigen Publikationspflichten unterliegt, ist ohnehin unklar, wie der Konzern genau aufgebaut ist und wer wo das Sagen hat.

Ebenfalls gestern ging der Konzern dann noch an die Presse und sagte, das im kommenden Jahr der seit 2009 amtierende Vorstandschef Mikael Ohlsson ausgetauscht werden solle. Der Schweden-Chef Peter Agnefjal werde übernehmen, sonst bleibe alles beim alten.

Auch wenn Kamprad drei Söhne und zahlreiche hohe Manager hat, ist er immer derjenige, der das Unternehmen nach Außen repräsentiert und auch für die Unternehmenskultur steht. Auch im hohen Alter lässt Kamprad es sich nicht nehmen bei Warenhauseröffnungen oder anderen Veranstaltungen dabei zu sein. Von den überwiegend jungen Mitarbeitern vor Ort, die die Möbel verkaufen, wird er dann gefeiert wie eine Mischung aus Großvater und Oberhaupt einer Sekte.

Dieses Gebahren lässt dann auch eine Vermutung zu: Kamprad wird abtreten und das ist beschlossene Sache, aber dies zu verkünden, dass wird er nicht seinem Aufsichtsratsvorsitzenden oder irgendeinem anderen überlassen. Nein, Kamprad, der eine Art Steve Jobs der Möbelbranche ist, wird seinen Rückzug selber bekannt geben. Alles andere ziemt sich nicht für jemanden, dessen Kultstatus es mit dem eines alternden Rockstars aufnehmen kann.“

Cevian revisited


KOPENHAGEN. Ziemlich genau auf den Tag zwölf Jahre ist es her, dass mein Interview mit dem schwedischen Investor Christer Gardell in der Financial Times Deutschland (FTD) erschien. Seither haben er und sein Fonds Cevian Capital in Europa immer wieder für Furore gesorgt – auch weil längst eingetreten ist, was Gardell vor über zehn Jahren noch für ziemlich unwahrscheinlich hielt: Cevian ist in Deutschland aktiv geworden, wobei aktiv hier auch für aktivistisch steht, denn ein solcher Fonds ist Cevian Capital. Im Dezember 2017 schrieb ich erneut über Cevian – diesmal für ein aktuelles Unternehmensporträt für Die Zeit (das Stück ist online hier zu lesen).

Als Rückblick hier auch nochmal mein Stück aus der FTD vom 6. Januar 2006 (wenn da noch der ein oder andere Umlaut fehlt – die hat das Archiv gefressen):

Firmenjäger Gardell warnt Börsen

Schwedischer Großanleger sieht Stellung der europäischen Aktienmärkte durch Private Equity bedroht – FTD-Interview

Clemens Bomsdorf, Stockholm

Der schwedische Firmenjäger Christer Gardell sagt Europas Börsen einen massiven Bedeutungsverlust voraus. „Die attraktiven Deals finden zunehmend zwischen Private-Equity-Gesellschaften statt. Wenn dieser Trend nicht umgedreht wird, sind die Börsen bedroht“, sagte Gardell der FTD. Es bestehe die Gefahr, dass künftig nur noch Aktien zweitrangiger Unternehmen gehandelt werden.

Der Schwede ist einer der einflussreichsten Nordeuropäischen Investoren. Er steht hinter der Investmentgesellschaft Cevian Capital und ist Vertrauter des US-Großinvestors Carl Icahn. Icahn hat schwedischen Medien zufolge mehr als 100 Mio. € in Gardells Fonds investiert. Gardell ist ein aktiver Aktionr wie die Private-Equity-Fonds, kauft aber meist Anteile an börsennotierten Werten und setzt auf Kurssteigerungen.

Über Cevian steigt Gardell mit 5 bis 20 Prozent bei Unternehmen ein, die er für unterbewertet hält. Als so genannter Firmenjger meint er, durch einen Wechsel von Strategie, Eignern oder Management oder den Verkauf einzelner Unternehmensteile den Wert einer Firma beträchtlich steigern zu knnen. Diese Manßahmen versucht er durchzusetzen, indem er sein Stimmrecht nutzt und andere Investoren ebenfalls auf seine Seite zieht.

Die Private-Equity-Gesellschaften würden die attraktiven Unternehmen mit hohem Cashflow von der Börse nehmen und dann untereinander handeln, fürchtet Gardell. „An den Börsen wird es dann vor allem die riskanteren Unternehmen mit Ideen, aber wenig Cashflow geben.“ Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die zunehmende Bedeutung der Private-Equity-Branche für die Wirtschaft förderlich sei.

Cevian hält derzeit unter anderem Anteile am Finanzkonzern Skandia sowie der Textilkette Lindex aus Schweden, dem finnischen Maschinenbauer Metso und der norwegischen IT-Firma Visma. 2005 hat der Fonds mit seinen Engagements eine Rendite von rund 90 Prozent erwirtschaftet. Das Volumen beträgt 650 Mio. €. Anfang 2006 wird diese Summe komplett investiert sein. Dann will Gardell einen neuen, größeren Fonds mit einem Volumen von mindestens 1 Mrd. € auflegen, an dem sich auch wieder Icahn beteiligen wird. „Wir werden dann auch verstärkt bei größeren Unternehmen einsteigen“, kündigte Gardell an.

Wie gehabt bleiben dabei die nordischen Länder der Anlageschwerpunkt. „Vom Corporate-Governance-Aspekt her ist Nordeuropa sehr attraktiv, weil aktionärsfreundlich“, sagte Gardell. In Nordeuropa ist er derzeit lediglich in Island und Dänemark nicht investiert. „Wir würden in Dänemark gern ein Investment machen und gucken uns das Land sehr genau an“, sagte Gardell. Daneben schaue Cevian Capital sich jedoch auch andere europäische Länder an. Am wahrscheinlichsten sei ein Einstieg in Großbritannien oder der Schweiz, sagte der Großanleger.

Investitionen in Deutschland will Gardell nicht ausschließen, hält sie aber für weniger wahrscheinlich. „Kleine Aktionäre haben dort üblicherweise relativ wenig Einfluss. Allerdings hat der Fall Deutsche Börse das Gegenteil bewiesen“, sagte er. Dennoch sei es in Deutschland in der Regel schwerer, das Management oder den Aufsichtsrat auszutauschen. Allerdings bekomme er jede Menge Anfragen von deutschen Investoren, so Gardell.

Üblicherweise steigt der Fonds Cevian Capital mit Minderheitsbeteiligungen ein und versucht mit der Unterstützung anderer Investoren, einen Platz im Aufsichtsrat zu bekommen, um die Unternehmenspolitik aktiv beeinflussen zu können. Wenn Gardell bei einer Firma in Nordeuropa einsteigt, ist das für ausländische Investoren ein Signal, ebenfalls Aktien zu kaufen. So stieg der Anteil ausländischer Anteilseigner bei der schwedischen Textilkette Lindex nach seinem Einstieg von unter 10 auf gut 50 Prozent. „Es ist wichtig, Unterstützung von anderen zu bekommen. Wir haben exzellente Beziehungen zu einer Reihe globaler Investoren“, so der Schwede.

Mit diesen kooperierte er auch beim Kampf um Skandia. Gardell ist einer der zwei Skandia-Aufsichtsräte, die sich für eine Übernahme durch die südafrikanische Old Mutual ausgesprochen haben. Der Schwede gab zu verstehen, dass er nach der geplanten Übernahme in den Aufsichtsrat von Old Mutual wechseln wolle. Cevian wird dann rund ein Prozent an Old Mutual halten. Die Frist für das Angebot zur Übernahme von Skandia läuft Mitte des Monats aus, bisher haben rund 60 Prozent der Aktionäre zugestimmt. Mindestens zwei Fonds haben dem Vernehmen nach ihre Zustimmung aber wieder zurückgezogen. Sollte die Übernahme scheitern, will Gardell dennoch in Skandia investiert bleiben.

FTD 20160106 S.17

Norway: One Trillion


Ein Mercedes für alle Norweger? Im Ölfonds wäre mehr als genug Geld dafür. (Foto: Bomsdorf)
Ein Mercedes für alle Norweger? Im Ölfonds wäre mehr als genug Geld dafür. (Foto: Bomsdorf)

BERLIN. Eine Billion US-Dollar, diesen auch in Ziffern geschrieben (1.000.000.000.000) schier unvorstellbar hohen Betrag erreichte der norwegische Ölfonds gestern, am 19. September 2017. In das Investmentvehikel des norwegischen Staates fließen seit rund 20 Jahren die Einnahmen aus dem Geschäft mit Öl- und Gas des nordeuropäischen Staates. Nunmehr sind es pro Kopf der Bevölkerung rund 190 000 US Dollar (bei 5,28 Millionen Einwohnern laut Statistikbehörde SSB, Stand: 30. Juni 2017).

Das liegt am stetigen und wohl durchdachten Investieren der Norweger, aber auch daran, dass die US Währung in letzter Zeit so schwach ist. Damit ist das international in Aktien, Anleihen und Immobilien investierte Geld in Dollar gerechnet mehr wert als wenn die Währung stärker wäre.

Der Fonds berechnet die Performance normalerweise aber in einem Währungskorb und das Volumen wird üblicherweise in Norwegischen Kronen angegeben – schließlich ist das Geld für die norwegischen Bürger angelegt. Zum Halbjahresbericht gab der Fonds erst im August bekannt, dass seit Auflage eine jährliche durchschnittliche Rendite von 5,9% erzielt worden sei. Da würde sich so mancher Sparer ziemlich drüber freuen.

Über die Jahre habe ich mehrere Manager des nunmehr Billionen schweren Fonds informiert und Dutzende von Artikeln darüber geschrieben. Eine Auswahl:

Eine wird gewinnen?


Oslo am Nationalfeiertag, 17. Mai 2017. Foto: Bomsdorf
Oslo am Nationalfeiertag, 17. Mai 2017. Foto: Bomsdorf

BERLIN. Es ist Wahltag – in Norwegen. Gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl bemüht sich Ministerpräsidentin Erna Solberg um Wiederwahl. Die Chancen der konservativen norwegischen Regierungschefin stehen nicht ganz so gut wie die von Angela Merkel. Die aktuelle Minderheitsregierung aus Solbergs Høyre (H) und der rechtsliberalen bis rechtspopulistischen Fremskrittspartiet (Fortschrittspartei, FrP) würde laut einer Umfrage des Senders NRK eine hauchdünne Mehrheit erzielen. So hauchdünn, dass diese alles andere als gewiss ist. Zumal die zwei Parteien, die die Koalition stützen nicht so begeistert sind, mit FrP zusammenzuarbeiten. Details dazu in meinem Beitrag für Das Parlament und hier:

Dabei stehen die Wirtschaftsdaten auf Wiederwahl. Gemäß der Theorie, dass in stabilen ökonomischen Zeiten eine Regierung bestätigt wird, dürfte Erna Solberg sich eigentlich keine Sorgen machen. „Unsere Partei hat Norwegen durch den schlimmsten Ölpreisfallin 30 Jahren gesteuert. Nun ist es wichtig, dass die Modernisierung Norwegens nicht stoppt“, so die Ministerpräsidentin des Landes, das für Deutschland einer der wichtigsten Energielieferanten ist.

Tatsächlich kann die Regierungschefin darauf verweisen, dass das ohnehin wohlhabende Norwegen dabei ist, die leichte ölpreisbedingte Krise hinter sich zu lassen. Seit einem Jahr fällt die Arbeitslosigkeit wieder und hat zuletzt 4,3 Prozent erreicht. Das pro-Kopf-Einkommen liegt in Kaufkraft berechnet 50% über dem EU-Schnitt und Anfang des Jahres verkündete die UN sogar, dass in Norwegen die glücklichsten Menschen leben.

Glücklich, aber unentschieden, könnte man sagen. Denn trotz dieser Daten sind die Parteien des „Blauen Blocks“ rechts der Mitte unter Führung von Solberg in den Umfragen in etwa gleich auf mit der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und deren Partnern. In Norwegen werden häufig Minderheitsregierungen eingegangen. So koalierte Solbergs Høyre in der nun zu Ende gehenden Wahlperiode nur mit der rechtsliberalen bis rechtspopulistischen Fortschrittspartei (FrP). Die beiden ließen sich von der christlichen Volkspartei KrF und der sozialliberalen Venstre V stützen. Gemeinsam kommen sie allenfalls auf eine hauchdünne Mehrheit und dabei ist noch nicht einmal sicher, ob KrF und V den Sprung über die Sperrgrenze von 4% schaffen.

Offiziell koalieren wollen die beiden mit der derzeitigen Regierung ohnehin nicht. Sie stören sich an der FrP.  Vor allem deren Einwanderungs- und Integrationsministerin Sylvi Listhaug ist dafür bekannt, gegen Migranten zu polemisieren. Ihre heftigen Kommentare erwecken für KrF-Chef Knut Arild Hareide den Eindruck, dass sie den integrierenden Teil ihrer Arbeit vergessen habe. „Wenn Integration gelingen soll, ist Vertrauen sehr wichtig, das muss sie schaffen und Radikalisierung und Ausgrenzung verhindern“, so Hareide.

Lange sah es so aus, als würde FrP daunter leiden, an die Regierung gekommen zu sein. In den meisten Umfragen seit der Wahl vor vier Jahren lag die Partei weit unter dem Wahlergebnis von 16,3%, meist gar nur bei rund 12% oder weniger. Es sah also aus, als habe sich einmal mehr bewahrheitet, dass populistische Oppositionsparteien an Unterstützung verlieren, wenn sie eingebunden werden und Verantwortung übernehmen müssen. Doch zuletzt hat FrP wieder aufgeschlossen und könnte das Ergebnis von vor vier Jahren gar knapp übertreffen während Høyre voraussichtlich etwas auf um 25% abfällt.

Nicht nur die Grundlinien der Integrationspolitik, auch bei den Themen Öl und Klima gibt es unter den vier Parteien des „Blauen Blocks“ Uneinigkeit. So fordern KrF und V, dass vor den Lofoten-Inseln auch in Zukunft nicht nach Öl gebohrt wird. Weil sowohl die Natur als auch die Ressourcenwirtschaft in Norwegen besonders wichtig sind, ist dies seit Jahren ein zentraler Streitpunkt, der aber immer dringlicher wird. Denn mit der Erschließung neuer Gebiete steigt die Chance länger eine reiche Ölnation zu bleiben.

Links der Mitte gibt es den selben Streit. Dort steht die Arbeiterpartei Ölbohrungen vor den Lofoten am offensten gegenüber. Das aber dürfte nicht der Grund dafür sein, dass die Partei vermutlich eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte erzielen wird. Ein Problem für die Sozialdemokraten ist, das deren Lieblingsthema Beschäftigung für die Wähler angesichts der guten Arbeitsmarktlage nicht nur nicht so relevant ist, sondern sie dort Høyre Umfragen gemäß auch mehr zutrauen. Obwohl Norwegen eine kleine Grenze zu Russland hat, spielt das Verhältnis zu dem Nachbarn im Wahlkampf keine wirkliche Rolle.

So wurde Liu Xiaobo 2010 in Abwesenheit mit dem Friedensnobelpreis geehrt


KOPENHAGEN. Ein leerer Stuhl, eine rotes Kleid, heruntergelassene Rollläden – so symbolisch wie 2010 war die Zeremonie zur Verleihung des Friedensnobelpreises wohl selten. Damals sollte der chinesische Dichter und Dissident Liu Xiaobo geehrt werden, vor Oslo in Oslo wurde deutlich, welche Bedeutung der aktuelle Tträger des Friedensnobelpreises für die internationale Politik hatte. Aus Anlass seines Todes mein damaliger Bericht aus Oslo (und hier geht es zu meinem damaligen Artikel für Die Welt):

„Wie jedes Jahr sind auch an diesem 10. Dezember internationale Persönlichkeiten und hochrangige Vertreter der mächtigsten Staaten in das Rathaus der norwegischen Hauptstadt gekommen. Vor dem monumentalen Backsteinbau dicht am Hafen liegt Schnee, die Luft ist trocken und kalt – das Thermometer zeigt minus 11 Grad. Die geladenen Gäste gehen seit 12 Uhr ins Rathaus rein, korrekt nach Zeitplan betritt 59 Minuten später das Königspaar den Mittelgang und setzt sich ganz nach vorne auf zwei dort platzierte Stühle, schräg dahinter Botschafter, Menschenrechtsaktivisten, Politiker – rund 1000 Menschen sind anwesend.

Doch ganz vorne auf dem Podium bleibt ein Stuhl leer. Die Hauptperson ist abwesend. Liu Xiaobo, der mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis geehrt wurde, ist nur durch ein Foto vertreten. Lächelnd zeigt ihn das riesige Bild, das an der Wand hängt. Doch er selber sitzt gefangen in China.

Nicht einmal ein Familienmitglied durfte nach Nordeuropa kommen und statt seiner den Preis annehmen. Deshalb wird der Friedensnobelpreis dieses Jahr zum zweiten Mal in seiner Geschichte nicht ausgehändigt.

Und deshalb spricht Torbjørn Jagland, Vorsitzender des Nobelkomitees und norwegischer Parlamentarier, nur über, aber nicht zu Liu Xiaobo. Gleich zu Anfang seiner Rede sagt er den simplen Satz „Wir gratulieren Liu Xiaobo zum diesjährigen Friedensnobelpreis“. Kaum sind die Worte gefallen bricht heftiger Applaus aus, der schnell in stehende Ovationen übergeht. Diese Art der Unterstützung ist nicht üblich am 10. Dezember in Oslo. Natürlich wurde auch in den anderen Jahren applaudiert, aber es nicht aufgestanden.

Ganz vorne im Mittelgang steht Königin Sonja und klatscht in die Hände. Sie trägt ein rotes Kleid – obwohl die Heimat des Preisträgers die Zeremonie boykottiert und keinen Regierungsvertreter geschickt hat, ist die Nationalfarbe Chinas im Osloer Rathaus also unübersehbar.

Statt des Preisträgers hält Liv Ullmann eine Art Ersatzdankesrede und liest einen Text von Liu Xiaobo vor. Nicht irgendeinen, sondern seine Verteidigungsrede, gehalten vor einem Gericht in China im Dezember 2009. „Meinungsfreiheit ist die Grundlage der Menschenrechte, die Quelle der Humanität und die Mutter der Wahrheit. Freiheit zu strangulieren bedeutet die Menschenrechte mit Füßen zu treten, Menschlichkeit zu ersticken und die Wahrheit zu unterdrücken“, trägt Ullmann Liu Xiaobos Worte vor.

Liu Xiaobo hat sein Beharren darauf seine Meinung zu sagen bereits mehrfach ins Gefängnis gebracht. Derzeit sitzt er in Haft, weil vor zwei Jahren von ihm und etlichen anderen Intelektuellen die Charta 08 präsentiert wurde. Die Unterzeichner forderten in ihrem Land grundlegende Menschenrechte ein. Genug für die Machthaber Liu Xiaobo als zentrale Person im Jahr darauf zu einer elfjährigen Gefängnisstrafe zu verurteilen. Man habe an ihm ein Exempel statuieren wollen und durch die Verurteilung einer der zentralen Akteure andere abschrecken wollen ähnliches zu tun.

Liu Xiaobo hat sich gewünscht, dass diese seine Worte vom Prozess vor einem Jahr nun in Oslo nochmals verlesen werden, denn so wendet er sich an die Öffentlichkeit. Immerhin, diesen Wunsch nach draußen zu tragen, konnten die chinesischen Behörden nicht verhindern.

In Oslo gibt sich die Volksrepublik zugeknöpft. Zwar werden auf der Homepage der Botschaft jede Menge Statements gegen die Preisverleihung veröffentlicht, doch niemand geht in der Vertretung des Landes ans Telefon. Stünden nicht die Autos vor dem Botschaftsgebäude im noblen Westen der norwegischen Hauptstadt und wären da nicht die frischen Spuren im Schnee, man könnte meinen, China hätte sich aus Norwegen zurückgezogen.

An allen Fenstern sind die Rollläden heruntergelassen, kein Mensch ist zu sehen. Das sah am Vortag noch anders aus. Donnerstag waren immerhin die chinesischen Regimegegner zur Stelle und protestierten vor der Botschaft für Liu Xiaobo. Mit dabei war Leung Kwok-hung, regimekritischer linker Politiker aus Hong Kong. Am Tag der Zeremonie steht er vor dem Osloer Rathaus und ruft mit anderen Chinesen im Chor „Release Liu Xiaobo“ (Lasst Liu Xiaobo frei) und „Democracy for China“ (Demokratie für China). Sie halten ein Spruchband und ein Schild mit dem Foto des Preisträgers in den Händen. Es ist keine große Gruppe an Demonstranten, die sich da zusammengefunden hat, aber sie kriegen jede Menge Aufmerksamkeit von Polizei und Presse und die einflussreichen Geladenen, die keine hundert Meter entfernt zur Zeremonie ins Rathaus laufen, hören die Rufe noch. „Man darf niemals aufgeben“, sagt Leung Kwok-hung. Er glaubt nicht, dass Liu Xiaobo alsbald freikommt, aber ist zuversichtlich, dass seine Rufe nicht überhört werden. „Ich bin auch zur Zeremonie eingeladen, glaube aber, dass ich mehr bewirken kann, wenn ich hier draußen stehe und demonstriere“, sagt er.

Protestler Leung Kwok-hung und Preisträger Liu Xiaobo sind nicht die einzigen Geladenen, die nicht ins Osloer Rathaus gekommen sind. Selbstverständlich hat China keine offiziellen Vertreter geschickt. Das mächtige asiatische Land hat sich aber auch bemüht, möglichst viele andere Staaten dazu zu bringen, der Preiszeremonie fernzubleiben. Bei siebzehn weiteren war Liu Xiaobos Heimatland erfolgreich. Unter anderem kamen die Vertreter Russlands, Vietnams und Kasachstans nicht. Anders als Liu Xiaobo haben sie aber die Wahl gehabt, hätten kommen können. Doch statt durch Anwesenheit setzen sie lieber durch Abwesenheit ein Zeichen. Es ist ein stiller Protest, eine unsichtbare, aber wahrnehmbare Solidaritätserklärung mit der chinesischen Regierung. Wirtschaftliche Gründe dürften dabei eine große Rolle gespielt haben.

Auch Teile der norwegischen Wirtschaft hatten die Wahl Liu Xiaobos anfangs kritisiert. Wie für so viele andere Länder ist China auch für Norwegens Unternehmen in erster Linie ein großer Markt. Die Wirtschaftszeitung „Dagens Næringsliv“ stützte am gestrigen Tag der Preisverleihung in ihrem Leitartikel die Entscheidung des Nobelkomitees. Norwegen habe zwar schon eine Strafe zu spüren bekommen, nämlich den Aufschub eines Freihandelsabkommens. „Aber genau deshalb ist der diesjährige Friedenspreis so wichtig und so richtig. Wenn ökonomische und strategische Interessen die Wahl des Kandidaten diktieren, gibt es eine große Gefahr, dass der Friedenspreis seine Bedeutung verliert“, heißt es in dem Leitartikel. Der diesjährige Preis handle von so etwas grundlegendem wie, dass niemand wegen seiner Meinungen im Gefängnis sitzen solle. „Das ist ein Prinzip, das wir verteidigen müssen, unabhängig davon, wieviel es kostet“, so der Kommentator.

Bereits viermal zuvor hatte ein Geehrter nicht nach Oslo kommen können, um den Preis anzunehmen. Doch selbst die Diktaturen in Polen, der Sowjetunion und Burma konnten nicht verhindern, dass Verwandte von Andrej Sakharov, Lech Wales und Aung San Suu Kyi den Preis entgegennahmen.

Deshalb wird China dieser Tage immer wieder gleichzeitig mit der Nazidiktatur in Deutschland genannt. Denn Deutschland unter Hitler ist der andere Staat, der einen Preisträger nicht aus der Gefangenschaft entlassen wollte, um nach Norwegen zu reisen.

Carl von Ossietzky, der 1936 den ihm im Jahr zuvor anerkannten Nobelpreis entgegennehmen sollte, saß damals im Konzentrationslager. Wie China heute, so versuchte Deutschland damals, möglichst viele von der Teilnahme an der Zeremonie in Oslo abzuhalten. Diese Parallele wird von den Medien immer wieder aufgegriffen, das Nobelkomitee aber hält sich mit diesem Vergleich zurück. Chinas Gebahren mit dem Hitlers zu vergleichen könnte zu sehr danach aussehen die beiden Regime auch nur ansatzweise gleichzusetzen.

Dafür erinnert Jagland daran, dass selbst der Iran im Jahr 2003 die damalige Preisträgerin, die iranische Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi, nicht daran gehindert habe, nach Oslo zu reisen, ja, damals sogar der iranische Botschafter in Norwegen zur Zeremonie gekommen sei. Solche Mahnungen müssen der chinesischen Führung, die international sonst besseres Ansehen genießt als die iranische, wehtun und – so hofft Jagland vermutlich – sollten ihr zu denken geben. Gleichzeitig lobte er China für die enorme wirtschaftliche Entwicklung, die das Land durchgemacht hat. Es müsse sich aber auch sonst öffnen, mahnt Jagland an.

China wird die Rollläden an der Botschaft in Oslo irgendwann wieder öffnen müssen, vielleicht darf dann auch Liu Xiaobo Medaille und Preisgeld abholen. Wenn er seiner Frau davon dann als erstes ein Kleid rot wie das der norwegischen Königin kauft, so wäre es nicht nur ein Liebesbeweis an seine langjährige Partnerin, sondern auch an China und die Freiheit.“

 

Uber geht in Dänemark unter. Folgt AirBnB?


Die Tageszeitung Politiken hat den Uber Exit heut ganz oben. (Foto: Bomsdorf; Zeitung: http://www.politiken.dk)

 

KOPENHAGEN. Uber verlässt den dänischen Markt. Vorerst zumindest. Wirklich überraschend kommt die gestrige Ankündigung des amerikanischen Fahrdienstvermittlers nicht. Die Taxi-Branche in Dänemark hatte lautstark gegen Uber protestiert, gefallen ist das Unternehmen letztlich auch über die Steuer. Denn die Preise konnten wohl auch deshalb erheblich niedriger als bei gewöhnlichen Taxen sein, weil etliche private Fahrer die Einnahmen nicht versteuerten. Wenn brutto = netto gilt, lohnen auch niedrige Tarife. Um dagegen vorzugehen, hat die Regierung gemeinsam mit Oppositionsparteien neue Regeln beschlossen, nachdem auch Uber-Fahrer u.a. Taxameter haben sollen. Derartige Ausrüstung kostet, macht die steuerliche Erfassung leichter und würde das Uber-Fahren zu niedrigen Preisen erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

Das war es also erstmal für Uber und Dänemark. AirBnB ist noch im Lande, aber auch hier wettert die Konkurrenz (Hotelbranche) und der Staat ist besorgt, dass die Bürger die Einnahmen aus der Zimmervermietung nicht versteuern. Gespräche zwischen AirBnB und der Politik laufen. Die Sharing Economy wird auch in Dänemark viel gepriesen, aber weil es in Nordeuropa üblich ist, die Lasten über Steuern zu teilen, dürfen sich auch die vorgeblich sozialen Dienste nicht alles erlauben.

Guggenheim Helsinki endgültig gescheitert


Ganz ohne Guggenheim - Eingang zur Architektur-Biennale 2016 (Foto: Bomsdorf)
Ganz ohne Guggenheim – Eingang zur Architektur-Biennale 2016 (Foto: Bomsdorf)

VENEDIG. Das Timing hätte kaum besser sein können: Nur wenige Tage nachdem die diesjährige Architektur Biennale in Venedig schloss, hat sich die Stadt Helsinki endgültig gegen ein Guggenheim Museum entschieden.

Bei meinem ersten Besuch der Architektur Biennale in Venedig vor zwei Jahren führte ich im amerikanischen Pavillon Interviews zu den Plänen für ein Guggenheim Museum in Helsinki. Die Kuratoren des US Beitrags hatten sich selber mit einem leicht scherzhaft gemeinten Entwurf für den Bau des Hauses beworben und sahen den Plan in Finnland eine Filiale des New Yorker Hauses zu etablieren, ziemlich kritisch (ausführlich zu lesen in der FAZ vom 2.12.2014, veröffentlich auch hier in meinem torial-Portfolio;eine Zusammenfassung im Blog).

Seither hat sich viel getan; und auch wieder nicht. Denn obwohl es auch politisch viel Ablehnung für das Projekt gab, versuchte Guggenheim immer wieder Politik und Bevölkerung doch noch für das Haus zu gewinnen. Erst vor wenigen Wochen wurde ein revidierter Vorschlag veröffentlicht. Mit der Ablehnung durch die Stadt Helsinki vorgestern (30.11.2016) ist das Projekt nun aber wohl endgültig gescheitert. Eine nachträgliche Analyse dürfte dennoch lohnend sein – einerseits, um zu sehen, wie eine große Stiftung in einem kleinen, an private Initiativen nicht so gewohntes Land auf Ablehnung stoßen kann und auch, um das Prinzip Guggenheim/Economic Hit Man besser zu verstehen. Mein oben erwähnter FAZ-Artikel ist dafür ein guter Start (hier ein weiterer Text von mir zum Thema für art).

Kommt Katríns Koalition?


KOPENHAGEN. Katrín Jakobsdóttir ist dem Ziel neue isländische Premierministerin zu werden ein wenig näher gekommen. Am Wochenende hat die ehemalige Kulturministerin formelle Koalitionsgespräche mit allen vier Parteien eingeleitet, die im Parlament sitzen, aber nicht an der vorherigen Regierung beteiligt waren.

Leicht allerdings wird es nicht diese breite Koalition aus Sozialdemokraten, Piraten, Leuchtende Zukunft (die so genannten Hippster-Sozialdemokraten) und liberale Reform sowie natürlich Katrin Jakobsdottirs Linksgrüne nicht nur auf ein gemeinsames Programm zu einigen, sondern auch vier Jahre zusammen zu halten. Mit ihrer Erfahrung und ihrem Standing könnte Jakobsdottir das aber schaffen. Mehr Hintergründe in diesem früheren Interview, das ich mit ihr geführt habe.

Allerdings würden Unabhängigkeits- und Fortschrittspartei eine starke Opposition bilden.

Warum die EU-Mitgliedschaft mit einer solchen Regierung möglicherweise wieder ein Thema wird, habe ich in diesem Artikel für Das Parlament erklärt (erschienen als Vorbericht zur Wahl, hat aber noch Gültigkeit).