Er schon wieder


HELSINGØR. Ein auf Hochglanz polierter silberfarbener Stein, darauf verharrt verträumt ein ebenso strahlender Jüngling – seit Samstag steht diese Skulptur am Hafen im dänischen Helsingør, nur eine halbe Autostunde nördlich von Kopenhagen. Es ist die neuste Arbeit des skandinavischen Künstlerduos Elmgreen & Dragset. Der Stein hat fast die gleiche Form, die Figur die gleiche Positur: „Han“ – Dänisch für er – nimmt ganz klar Bezug auf die Kleine Meerjungfrau, das dänische Wahrzeichen schlechthin. Helsingør möchte mit dieser neuen Skulptur im öffentlichen Raum aus dem Schatten des nahegelegenen und zehnmal größeren Kopenhagen springen. Und Elmgreen & Dragset setzen sich einmal mehr mit Identitätsfragen und künstlerischer Darstellung auseinander.

Weiter im Text geht es bei artnet, wo nun auch mein Artikel zur Skulptur „Han“ (Dänisch für „er“) erschienen ist (zu lesen hier – Überschrift und zwei, drei Sätze stammen nicht von mir). Nicht vorenthalten werden soll auch noch mein Schluß:

Im Wettstreit mit der nahegelegenen Hauptstadt, die ansonsten erheblich mehr Kultur zu bieten hat, hat Helsingør mit Elmgreen & Dragsets „Han“ ganz klar Boden gut gemacht. Alles kann die erheblich kleinere Nachbarstadt, die zu Hamlets Zeiten Sitz des Königshauses war, aber nicht bieten: Für die Afterparty nach der Enthüllung der Skulptur luden Elmgreen & Dragset in einen Schwulenclub ein, der aber lag in Kopenhagen.

Spieglein, Spieglein…


KOPENHAGEN. Selbstbespiegelung ist in den nordischen Ländern recht ausgeprägt, zumindest auf kollektivem Niveau. Wenn im Ausland über das eigene Land berichtet wird, ist das fast immer eine Schlagzeile wert. Schwedische Medien berichteten sogar in eigenen Artikeln, dass der Selbstmordattentäter vom Dezember in Stockholm international auf Interesse stieß – es schien als sei man stolz darauf.

Es muss wohl an einem gewissen Minderwertigkeitskomplex liegen, wenn jedes bisschen Aufmerksamkeit gleich zu einem Jauchzen führt. Aus einem großen Land mit (glücklicherweise) wenig Nationalstolz kommend, ist mir das ziemlich suspekt. Noch suspekter muss das wohl Chinesen sein. So wie Chinesen über Berlin oder München als Großstadt nur lächeln können, beschäftigen sie sich vermutlich auch nicht damit, dass ihr Land mal wieder irgendwo im Ausland in einer Zeitung steht.

Ingar Dragset vor "When a Country feels in love with itself", Kopenhagen 2008. (Foto: Bomsdorf)
Ingar Dragset vor "When a Country feels in love with itself", Kopenhagen 2008. (Foto: Bomsdorf)

Dänemark hat es mal wieder geschafft: „Anerkendt britisk avis laver hyldestguide til Danmark“ (etwa: „Anerkannte britische Zeitung bringt lobpreisenden Dänemark-Führer“) titelt die online Ausgabe der linksliberalen Tageszeitung Politiken und schreibt voller Selbstzufriedenheit, wie toll die britischen Reisejournalisten Dänemark fänden (wenngleich sie über Rassismus klagen, auch das bleibt nicht unerwähnt). The Guardian hatte die entsprechenden Texte veröffentlicht. Wer dem Link dorthin folgt, kann das englische Original lesen.

Letztlich handelt es sich um nichts Weiteres als die klassische typische recht unkritische Reisetippberichterstattung. Aber so wie sich viele Schauspieler, die den Zenit überschritten haben oder jene, die nie die Spitzenliga erreicht haben, über jeden oberflächlichen positiven Artikel über sie freuen, mag er auch noch so substanzlos sein, so ist es wohl mit manch kleinen Ländern – Hauptsache man kann den Eindruck erwecken, wahrgenommen zu werden. Manchmal ist so etwas – bei Staaten wie bei Schauspielern – tragisch zu nennen. Dabei haben die Länder hier oben wie viele andere auch doch so interessantes zu bieten, warum also jedes bisschen Aufmerksamkeit aufbauschen wie ein Profilneurotiker? Vor drei Jahren präsentierte das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen und Dragset auf der U-Turn Quadriennale (die dann doch ein Einmalereignis blieb) das Werk „When a country falls in Love with itself“ – sie stellten einen Spiegel vor dem dänischen Wahrzeichen Kleine Meerjungfrau auf.

Dies nicht aus Eitelkeit, sondern für diejenigen, die mehr lesen möchten: Für die online Ausgabe von art schrieb ich damals einen Artikel über U-Turn – zu lesen hier, im Interview, das ich im Herbst 2010 mit Elmgreen und Dragset für The Art Newspaper führte, sprechen sie auch über die Selbstbezogenheit Nordeuropas (wobei, was Michael Elmgreen hier sagt auch für Deutschland gelten dürfte – weniger für die seriöse Presse, aber die Bevölkerung als solche, dazu ein aktueller Text von Claudius Seidl aus der FAZ am Sonntag) – komplett nur in der gedruckten Ausgabe, ein Ausschnitt deshalb direkt im Blog:

TAN: Your works When a Country Falls in Love with Itself and Han clearly refer to the Little Mermaid. Ai Weiwei has also been influenced by Copenhagen’s famous sculpture. Why is it so appealing to tourists and artists?

ME: National symbols are always fun to investigate and work with. They tell us about national identity.

TAN: In Sweden, the new right-wing political party in parliament—the Sweden Democrats—argues against supporting non-figurative art. How do you feel, as Scandinavians, hearing that?

ME: It is totally out of touch with reality—the most conservative non-progressive art may be abstract art. But I’m not part of that society anymore: I am an emigrant, I moved somewhere else. I don’t lose sleep about tendencies in Scandinavia. It worries me more that three million people are homeless because of the flooding in Pakistan.

Mehr Jungfrauen!


KOPENHAGEN. Einmal Prinz zu sein, heißt ein Karnevalslied aus meiner Heimatstadt Köln (wer es sich wirklich antun möchte, kann es hier bei Youtube ansehen und -hören). Als Monarchie hat Dänemark natürlich auch Prinzen, doch das Wahrzeichen der dänischen Hauptstadt und Ziel unglaublicher Touristenströme ist weiblich: die Skulptur der kleinen Meerjungfrau am Kai von Langelinie in Kopenhagen.

Man muss die Skulptur und das Bremborium, das um diese gemacht wird, nicht mögen, aber die Figur ist für die Stadt identitätsstiftend. Derzeit ist sie aber in Shanghai und dort im dänischen Expo-Pavillon zu sehen. Ein Videowerk von Ai Weiwei ersetzt die Figur am Kai. Das animierte eine kleine Gruppe um den Künstler Jens Hultquist herum, Leute zu suchen, die die Meerjungfrau ersetzen. Auf dänische werden solche, die zeitweilig eine andere ersetzen Vikar genannt, also suchte Jens Meerjungfrauvikare. An der Spitze vom Touristenviertel Nyhavn setzte er einen Stein hin, per Internet konnte sich jeder fünfzehn Minuten lang einbuchen, um Meerjungfrauvikar zu werden.

Ein Meerjungfrauvikar. (Foto: Hultquist)
Ein Meerjungfrauvikar. (Foto: Hultquist)

Die Idee dahinter war natürlich nicht, dass jedermann und jedefrau nun als Meerjungfrau posieren sollte, vielmehr wollten Jens und seine Kollegen, dass die Steinplattform für Perfomances, Speakers Corner-Aktionen oder dergleichen genutzt wird. Ein Autor las aus seinem Buch, ein nach Dänemark eingewanderter führte jeden Tag wechselnde traditionelle Trachten seiner Heimat vor, doch die meisten platzierten sich in Meerjungfraumanier auf dem Stein – etwas schade, aber das ist es wohl, was heimlicher Wunsch der Touristen ist: einmal Meerjungfrau zu sein.

Eine Schwedin hatte auch das im Kopf und wollte so realistisch wie möglich die Skulptur ersetzen. Sprich barbusig. Das aber musste der freizügigen Frau untersagt werden, denn ausgerechnet eine Behörde im nun wirklich nicht prüden Dänemark hatte zur Auflage für die Genehmigung der Aktion gemacht: keine Nackedeis.

Am heutigen 23. August, dem „Geburtstag“ der Skulptur wird die Aktion mit einem kleinen Fest abgeschlossen.

Der Venushügel von Oslo


Gabe von Christian Ringnes: Replika von Edvard Eriksens Kleine Meerjungfrau. (Foto: Bomsdorf)
Gabe von Christian Ringnes: Replika von Edvard Eriksens Kleine Meerjungfrau. (Foto: Bomsdorf)

OSLO. Die Frauen haben es Christian Ringnes angetan. Der norwegische Immobilienmagnat plant deshalb seiner Heimatstadt Oslo einen Skulpturenpark zu schenken, der nur Werke zeigt, die Frauen darstellen. Pardon, die eine „feminine Prägung“ haben. Denn die Idee mit den reinen Frauen hat er fallengelassen nachdem es von feministischer Seite zu viel Kritik gab. Nun also könnten auch Werke gezeigt werden, die beispielsweise einen Spiegel enthielten und so dass Kriterium der Weiblichkeit erfüllten, so sagte mir ein zuständiger Mitarbeiter der Stadt Oslo. Soso, Spiegel sind also weiblich, sprich unmännlich? Nun denn. (Für The Art Newspaper habe ich einen Text zum Thema geschrieben, der hier online gelesen werden kann.)

Ein Skulpturenpark, das kann etwas spannendes, herausforderndes sein. Gleichzeitig ist geplant jenen Punkt, von der Edvard Munch die Szenerie für sein Gemälde der Schrei erblickte, zu einer Art Aussichtsplattform auszubauen. Bisher weist lediglich ein kleines Schild am Straßenrand darauf hin. Ringnes sagte mir, er plane kein Café oder ähnliches an der Stelle. Die Besucher sollen den Blick wahrnehmen und nicht von Postkarten und Kaffeeverkäuferin gestört werden. Eine gute Idee.

Doch, was den Skulpturenpark als solchen angeht, habe ich wie einige andere auch meine Bedenken. Wer nämlich gesehen hat, wie Ringnes in der Passage der alten Oper am Youngstorget in Oslo eine Replik der Kleinen Meerjungfrau und die Kate Moss-Skulptur von Mark Quinn platzieren ließ, der muss fürchten, dass Auswhal und Platzierung der Werke so ausfallen werden, dass der Park einem Bauplatz gleicht, auf dem Skulpturen geparkt wurden, die gerade keiner sehen will.

Kate Moss verknotet - Skulptur von Mark Quinn, Gabe von Christian Ringnes in der alten Osloer Oper. (Foto: Bomsdorf)
Kate Moss verknotet - Skulptur von Mark Quinn, Gabe von Christian Ringnes in der alten Osloer Oper. (Foto: Bomsdorf)