Tetra Pak und Pandora


KOPENHAGEN. Welch eine Familie! – milliardenschwer, dem Mäzenatentum verschrieben, die zwei Töchter legen eine akademische Karriere hin als interessierten sie sich nur für die hehre Wissenschaft und nicht den schnöden Mammon oder dessen Versuchungen. Hätten sie doch genug davon zur Verfügung, um hunderte von Jahren ein JetSet-Leben führen zu können. Stattdessen anspruchsvollste Studien an Elite-Universitäten, gefolgt von Großspenden, die gemacht werden, ohne allzu viel Aufhebens darum zu machen. Die Familie Rausing, Erben des Tetra Pak-Imperiums, gehören weltweit zu den Superreichen und eben auch zu den Hochintelligenten. Von Außen sieht es aus als wären sie vermutlich genau den gleichen Weg gegangen, wenn sie kein Milliardenvermögen im Rücken gehabt hätten (was von Leuten wie Paris Hilton wohl nicht behauptet werden kann, ihre Karriere bedingte den Reichtum).

Doch dann das! Das dritte Kind in der Familie, der einzige Sohn, schien der Versuchung nicht widerstehen zu können und öffnete auf der Flucht vor der Verpackungsfamilie während einer Reise durch Indien die Büchse der Pandora: Heroin.

Seit am 10. Juli seine Frau in London tot aufgefunden wurde, weiß davon die ganze Welt. Weil die Familie aus Schweden kam, wo Tetra Pak gegründet wurde, bat mich der stern an einer Geschichte zum Thema mitzurecherchieren (nachzulesen in der aktuellen Ausgabe, aber nicht online). Je tiefer ich auch Dank persönlicher Kontakte in die Familien- und Unternehmensgeschichte einstieg, desto mehr schien mir: Die Rausings waren und sind trotz des Geldes letzlich eine ganz normale Familie und leider kann es selbst in den besten Familien vorkommen, das einer vom Weg abkommt. Da hilft dann auch all das viele Geld nicht. Manchesmal macht dieses es sogar einfacher, vom Weg abzukommen, schließlich fehlen die finanziellen Begrenzungen und wer einen Sinn des Lebens aus ökonmischen Gründen nicht in der Arbeit suchen muss, hat es womöglich schwerer, diesen zu finden. Gleichzeitig kann Geld helfen, den Absturz zu verhindern und helfen, wieder rauszukommen, mittels teurer Entzugskliniken etwa. Doch manchmal hilft alles nicht. Manche Schicksale bleiben unerklärbar, vor allem, wenn man nicht alle Details kennt. So sind denn auch im Zusammenhang mit den Rausings allzu viele Mutmaßungen gemacht worden.

Vermutlich bleibt nur: Wenn jemand im Drogensumpf versinkt, gibt es nicht den einen Schuldigen. Und Geld schützt nicht vor jedem Elend. Umso souveräner, dass die Eltern der Toten ihr Ableben nicht einfach nach Außen stillschweigend und nach Innen leidend hingenommen haben, sondern ihnen Anlaß für eine Warnung vor einer Drogenkarriere war.

(Als er dem Gericht vorgeführt wurde, hielt Rausing das Buch „As Seen on TV“ von Chris Kerr in der Hand. Ich kenne es nicht, aber der Autor selber natürlich. Hier hat er sich im Guardian ein paar Gedanken dazu gemacht.)

Die alte Dame mit dem Hirst / The old lady with the Hirst


KOPENHAGEN. Ok, let’s write it in English. COPENHAGEN. It is impossible not to be aware of: Damien Hirst opens a huge (what else?) show in London (Tate off course), just weeks after he showed his spot paintings in all branches of the Gagosian gallery chain. If I remember right I saw a work by him for the first time at Astrup Fearnley in Oslo, but it might also have been in Cologne. However, while London is preparing for this huge show his biggest spot painting is hanging in Copenhagen, Denmark. And almost nobody knows. An autumn day last year Danish, but London based collector and heiress Jytte Dresing took Jay Jopling and Damien Hirst to Copenhagen in order to donate the world’s so far biggest spot painting to the Arken museum, located just outside Copenhagen. Unfortunately people cared much less than the patron and the museum probably had hoped and despite me no international journalist came to the presentation of the piece. Well, you can think what you want about that work, but it was a theatrical presentation Dresing gave when entering the room accompanied by two of the most powerful man in the art world (who did walk half a meter behind here at least it seemed to me like that, each was on one of her sides). Pity, Michel Houellebecq was not there.

However, in The Art Newspaper we had only very little space to announce this donation. After all it is one of thousands. But fortunately I could write a longer story for German art, which can be read here.

Säulenheilige ade


KOPENHAGEN. Und es ist wieder soweit: In London wird die neuste Skulptur für den vierten Sockel (Fourth Plinth) eingeweiht. Heute, am 23. Februar um 9 Uhr. Das dänisch-norwegische Duo Elmgreen und Dragset steht für den Entwurf. Mehr ab heute in den Medien dieser Welt.

Michael Elmgreen & Ingar Dragset  Powerless Structures, Fig. 101 (Marquette) (2010)

Michael Elmgreen & Ingar Dragset Powerless Structures, Fig. 101 (Marquette) (2010)

Ein wiederkehrender (Alb)Traum


LONDON. Von der Frankfurter Buchmesse zur Kunstmesse Frieze nach London zu reisen ist wie zu besten Zeiten von Karstadt zu Kaufhof zu gehen – Gedränge hier wie dort. Dazwischen in London natürlich jede Menge spannende Kunst, auf die zu konzentrieren sich schwerfällt bei soviel Leuten drumherum (und es geht hier nicht darum, dass ständig jemand gegrüßt werden soll, sondern einfach darum, dass ständig jemand durchs Bild läuft).

Santiago Sierras Totenzähler (Death Counter, 2009) bildete da eine der rühmlichen Ausnahmen – nicht nur des großen Formats wegen, sondern auch, weil er über den Köpfen der Besucher installiert war (bei Lisson Gallery). Die Schwedin Nathalie Djurberg (bei Gió Marconi), über die hier schon mehrfach berichtet wurde, hatte ebenfalls vergleichsweise Glück gehabt.

Ihr Mailänder Galerist widmete sich ganz ihren Arbeiten und so waren Filme wie Skulpturen nicht zu übersehen. Djurberg und ihr Partner Hans Berg stellen zeitgleich auch im Camden Arts Centre aus. Dort war es am Freitagabend ähnlich voll wie auf der Frieze, schließlich gab es der Krise zum Trotz einen Champagner-Empfang. Wieder einmal thematisiert sie in ihren dort gezeigten Filmen Wunsch und Wirklichkeit, Verlangen und Verzehren (ruhig wörtlich zu nehmen) – ein wiederkehrender (Alb)traum sozusagen. Dabei oder vielmehr dazwischen: ganz viel falsches Glas zu Miniatur Architekturphantasien verarbeitet. Wer bis Anfang Januar nach London kommt und ein großer Djurberg-Fan ist oder von ihr noch gar nichts gesehen hat, dem sei die Ausstellung empfohlen.