Nach Stockholm: Ein Beitrag zur Terror- und Journalismusdebatte


Kommentare zu meinem DW-Kommentar
Kommentare zu meinem DW-Kommentar (Screenshot)

MAILAND. Vorvergangenen Freitag wurde ein Anschlag in der Stockholmer Innenstadt verübt. Ähnlich wie in Berlin raste ein LKW durch die Fußgängerzone und der Fahrer ermordete so vier Menschen. Vier Menschen, die ihren Angehörigen entrissen wurden und deren Leben durch Terror gewaltsam beendet wurde. Eine schreckliche Tat, die dazu geführt hat, dass viele Schweden öffentlich ihr Mitgefühl ausgedrückt sowie der Polizei gedankt haben.

Über die Hintergründe des mutmaßlichen islamistischen Terroristen habe ich unter anderem für Zeit online (hier über die schwedischen Reaktionen und hier unmittelbar nach der Tat) berichtet und auch einen Kommentar für die Deutsche Welle geschrieben. Auf Artikel und Kommentar wurde wiederum mit einigen Leserkommentaren geantwortet. Die Debatten, die das Internet ermöglicht, sind eine hervorragende Möglichkeit, das Meinungsmonopol (wenn man es denn so nennen möchte) der Journalisten zu brechen.

Ziemlich häufig jedoch, geht es längst nicht um Debatten, sondern was in den Kommentarspalten zu lesen sind, sind Pauschalverurteilungen und Wutausbrüche. Als Antwort auf einige Kommentare unter meinem Kommentar für die Deutsche Welle habe ich selber eine Antwort verfasst. Denn Debatten sind es, die nötig sind, und nicht Pauschalvorwürfe. Hier also meine Antwort (die bei DW nicht mehr veröffentlicht werden konnte, da die Kommentarfunktion nur kurzzeitig offen ist):

„Vielen Dank für die zum großen Teil kritischen Kommentare, auf die ich gerne kurz antworten möchte. Die Angehörigen der Opfer dieser grausamen Tat verdienen unser aller Mitgefühl und denen, die in Stockholm getötet worden sind, gilt es zu gedenken. Das ist bei einer solchen Tat eine Selbstverständlichkeit und anders als manch Kommentator schreibt, meine ich nicht, dass „die Opfer und ihre Familien schnell vergessen werden müssen“. Derartiges steht in meinem Kommentar nicht. Das wird jedem, der diesen wirklich gelesen hat, klar sein.

Was ich in meinem Kommentar hingegen tue, ist auf die gesellschaftlichen Folgen einer derartigen Terrortat zu fokussieren. Das heißt ganz und gar nicht, die schrecklichen Folgen für die Familien in Abrede zu stellen. Dass manch ein Leser es so gelesen hat, gibt mir zu denken, manchmal kommt man nich umhin zu erwägen, ob es Leser gibt, die aus einem Text nur das herauslesen, dass sie lesen möchten. Für eine Familie ist es grausam, einen Angehörigen durch eine derartige Terrortat zu verlieren, diesen gilt unser Mitgefühl.

Im Text erwähne ich auch andere Taten und Unfälle, die in Teilen dem aktuellen Attentat ähneln. Immer wieder wird einem bei Vergleichen der Vorwurf gemacht, gleichzusetzen. Doch vergleichen und gleichsetzen sind verschiedene Dinge. Von daher wird in diesem Text Terror nicht mit einem Unfall gleichgesetzt. Verglichen werden kann, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Das mag manchmal schwieriger sein als einfach gleichzusetzen, doch es sind die differenzierten Betrachtungen, die Diskussionen ermöglichen, die Politik und Gesellschaft weiterbringen können. Wer die Terrorgefahr überhöht und andere Risiken verdrängt (so sind alleine im Januar auf Deutschlands Straßen 234 Menschen ums Leben gekommen – Tendenz glücklicherweise fallend), hat einen großen Wunsch der Terroristen womöglich schon erfüllt: panisch und irrational zu reagieren.

Zuletzt noch kurz zum Zitat des israelischen Historikers Yuval Noah Harari. Es handelt sich selbstverständlich um eine Art bildhaften Vergleich. Ihm geht es explizit darum, was derartiger Terror (die Fliege) mit Europa (der Porzellanladen) macht. Auch Harari spricht also von gesellschaftlichen Auswirkungen und nur weil er die schrecklichen Folgen für die einzelnen Familien nicht erwähnt, negiert er diese noch lange nicht. Es geht auch ihm um eine Betrachtung der möglichen gesellschaftlichen Bedrohung. Das gesamte Interview mit ihm ist im Spiegel 12/2017 erschienen und auch online zu lesen (derzeit jedoch nur gegen Bezahlung). Dass Terrorismus (die Fliege) bekämpft werden sollte, dafür würde sich sicherlich auch Harari aussprechen.

Dass Terror durch geschlossene Grenzen nicht verhindert wird, zeigen Beispiele der letzten Jahrzehnte wie NSU und RAF. Und: Nein, andere (rechts- wie linksxtremistische) Terrortaten zu erwähnen, ist weder Gleichsetzung noch Verharmlosung islamistischen Terrors, sondern lediglich ein differenzierter Beitrag zur Debatte.“

Ganz vorne angekommen


Bukowskis Auktionskatalog (Foto: Bomsdorf, Bukowskis)
Bukowskis Auktionskatalog (Foto: Bomsdorf, Bukowskis)

STOCKHOLM. Das Bild mit den Frauen im 80er-Jahre-Look war mir gleich aufgefallen als ich zu einem Treffen beim Auktionshaus Bukowskis auch diesmal durch das Labyrinth-artige Haus geführt wurde. Es wirkte wie ein Richard Prince, aber so ganz konnte ich es nicht glauben, dass dieser in Stockholm verkauft werden sollte. Doch es war wirklich einer und er ziert auch den Titel des Katalogs für die Auktion Mitte November. Ebenso gibt es eine Version mit einem Bild von Cecilia Edefalk auf dem Titel – die derzeit neben Karin Mamma Andersson wohl teuerste lebende schwedische Künstlerin. Als ich gefragt wurde, welche Katalog-Ausgabe ich mitnehmen wolle, wurde plötzlich auch noch einer mit Stills aus zwei Nathalie Djurberg-Filmen angeboten. In einer Reihe mit Prince und Edefalk – meine schwedische Favouritkünstlerin ist ganz oben bzw. – da auf dem Umschlag – vorne angekommen. Hätte ich mir bloß 2004 als ich Djurberg zum ersten Mal sah und gleich ganz fasziniert war, eines ihrer Videos gekauft. Verkaufen würde ich es aber jetzt wohl trotzdem nicht.

Tyler Brûlé: Ich bin dann mal weg


KOPENHAGEN. Wenn es in der internationalen Presse einen Lobbyisten Nordeuropas gibt, dann ist es Tyler Brûlé. Während – von reinen Architektur- und Designmagazinen einmal abgesehen – Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden in Magazinen meist kaum vorkommen, ist mir keine Ausgabe von Monocle untergekommen, in der nicht zumindest aus einem der Länder eine größere Geschichte war. Über den journalistischen Tiefgang der Texte lässt sich streiten, aber die Themen jedenfalls waren immer interessant und nicht selten originell. Auch vor Gründung von Monocle war  Brûlé schon Fan dieser Region, vor 13 Jahren kaufte er sich gar ein Sommerhaus mit eigener Insel (so schlecht scheint manch ein Journalist gar nicht bezahlt…) in den Stockholmer Schären. Doch weil er immer weniger Zeit fand sich dort auszuruhen, wird das Eiland jetzt verkauft, wie Tyler Brûlé in seiner Spiegel Online-Kolumne erzählt.

Salut auf deutsche Gebührengelder in Schweden


KOPENHAGEN. Heut nacht hat die schwedische Kronprinzessin Victoria eine Prinzessin geboren. Das ist den deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstallten natürlich viel Aufwand wert. ARD und ZDF werden bei der morgigen Zeremonie aus diesem Anlaß gleich mit mehreren Teams vertreten sein – kein anderer Auslandssender erlaubt sich das. Man muss halt Prioritäten setzen. Eine Übersicht über die schwedische und ausländische Presse morgen, gibt es hier.

Valentin allein


KOPENHAGEN. Bonniers Kunsthalle ValentinreklameAm Valentinstag haben alle die rosarote Brille auf. So scheint es jedenfalls manchmal. 2 for 1 ist noch begehrter als sonst. Nicht so bei Bonniers Kunsthalle in Stockholm. Dort heißt es nämlich „Alleherzenstag (also Valentinstag) ist nicht für alle.“ (siehe Bild). Wer heute alleine in das Museum kommt, zahlt nur den halben Eintritt. Wer zu zweit kommt, hingegen zweimal voll. Der letzte Satz des Plakats heißt „Bonniers Kunsthalle – nicht für alle.“

Terror ist in Schweden nichts Neues


KOPENHAGEN. So schrechlick das Attentat vom Samstag ist, sei nicht nur daran erinnert, dass derartige Vorkommnisse im Irak und anderen Ländern leider zum Alltag gehören, sondern auch daran, dass es auch in Schweden schon vor dem 11. Dezember 2010 durchaus Terror gegeben hat. Unter anderem wurden Geiseln in der Deutschen Botschaft in Stockholm genommen, die das Gebäude dann in die Luft sprengten. Das ist schon einige Zeit her, was sonst in Schweden in den vergangenen Jahren so alles geschehen ist, das lässt sich in diesem Text in Sydsvenskan lesen.

König von Schweden


KOPENHAGEN. „König von Deutschland“ heißt eines der bekanntesten Lieder von Rio Reiser. Demnach träumen selbst Anarchos davon, die Spitze des Staates nicht unbesetzt zu lassen. Von daher gehen die schwedischen Monarchiegegner weiter als Deutschlands mittlerweile verstorbener anti-autoritärer Ton, Steine, Scherben-Star: Sie schlagen vor, dass Schweden das erste Land ohne Staatschef wird. Mehr dazu in meinem Artikel in der aktuellen Finanial Times Deutschland, der online hier zu lesen ist.

Achja, zur Erinnerung: Am 19.6. heiratet in Stockholm die Thronfolgerin Victoria. Deshalbist die Debatte um die Staatsform in Schweden gerade in vollem Gange und die Republikaner erleben derzeit einen Höhenflug (siehe auch diesen Blogeintrag).

Victoria Westling oder Der kurze Sommer der Monarchie


Abgedankte Victoria in der Hauptrolle - Sydsvenskan veröffentlicht eine Novelle von Jens Liljestrands. (Foto: Bomsdorf)
Abgedankte Victoria in der Hauptrolle - Sydsvenskan veröffentlicht eine Novelle von Jens Liljestrands. (Foto: Bomsdorf)

MALMÖ. Am 19. Juni wird Schweden in den Freudentraumel verfallen. Dann wird die königliche Hochzeit zwischen Kronprinzessin Victoria und dem Bürgerlichen Daniel Westling gefeiert. Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt bekennt sich als Royalist und versucht so auf der Woge der Begeisterung den Wahlsieg im Herbst zu retten. Die Tourismuswirtschaft freut sich über das internationale Interesse, wenngleich dei Hotelbuchungen für die Hochzeitstage zu wünschen übrig lassen.

Gleichzeitig versuchen die Republikaner die Aufmerksamkeit für einen Coup d´etat zu nutzen. In nicht gekanntem Ausmaße sägen sie an der Monarchie: die anti-königlichen Medien wettern gegen die Vererbung der Macht, der Autor Jens Liljestrand veröffentlicht eine Novelle mit einer Victoria Westling in der Hauptrolle, die abgedankt hat (literarisch allerdings keine Meisterleistung) und Comic-Strips von Nina Hemmingsson beziehen Stellung gegen das Königshaus (sehr amüsant, auf Schwedisch in Aftonbladet und ein Beispiel mit deutscher Übersetzung im aktuellen Focus, für den ich Hemmingsson interviewt habe, leider nicht online). Die Unterstützung für die Monarchie ist auf einem Tiefpunkt angekommen, doch noch fehlt eine Mehrheit für die Abschaffung. Die republikanische Vereinigung sieht dennoch nach diesem kurzen Sommer der Monarchie das nahe Ende. 2024, so wird prognostiziert, werde es mehr Monarchiegegner als -befürworter geben.