Die Schwedendemokraten und die Kunst


KOPENHAGEN. Über die Kulturpolitik während des schwedischen Wahlkampfes habe ich hier bereits im September berichtet. Wie bekannt sind die Schwedendemokraten bei der Wahl in den Reichstag eingezogen. Auch in der Kulturpolitik setzt die Partei auf nationale Werte, finanzielle Unterstützung soll vor allem an Heimatvereine und ähnliches gehen, zeitgenössische Kunst hingegen darf wenn es nach der rechtspopulistischen Partei geht, um Förderung bangen. Kunst, die nur ein sehr kleines Publikum finde und bei der es fraglich sei, ob es sich überhaupt um Kunst handle, soll nicht subventioniert werden. Dieser Vorschlag ist eine Pervertierung der gängigen Kulturpolitik, geht es doch üblicherweise darum, gerade jene Kultur zu fördern, die unter Marktbedinungen nicht zustande kommen würde. Für die britische The Art Newspaper habe ich einen Text über das Kunst- und Kunstförderungsverständnis der Schwedendemokraten geschrieben – online hier zu lesen. Darin kritisiert der Abgeordnete Erik Almqvist vor allem eine in seiner Wahlstadt Lund organisierte Ausstellung des Fotografen Andres Serrano – dessen explizite Darstellung von vielen als ungewöhnlich angesehener Sexualität gefällt Almqvist nicht. Als die Ausstellung vor drei Jahren im südschwedischen Lund zu sehen war, wurden einige der Werke von Rechtsradikalen beschädigt – mein damaliger Bericht dazu für art hier.

Bleibt abzuwarten wie sich die Kulturpolitik unter der zweiten Regierung Reinfeldt entwickelt, denn auch in der Koalition gibt es immer wieder Äußerungen die Kulturförderung richte sich zu sehr an eine angebliche Elite statt das Volk im Auge zu haben.

Sind die Biedermänner die Brandstifter?


KOPENHAGEN. In Malmö wird derzeit Jagd auf Menschen mit Migrationshintergrund gemacht. An der Bushaltestelle warten, in der Wohnung sitzend werden sie aus Entfernung angeschossen. Seit einem Jahr  hat es in der südschwedischen Stadt über 15 solcher Fälle gegeben, Schüsse fielen gar noch viel mehr. Eine Person kam ums Leben, zahlreiche weitere wurden verletzt.

In Schweden werden Erinnerungen an einen ähnlichen Fall vor rund zwanzig Jahren wach. Damals schoss der so genannte Lasermann in Stockholm auf Menschen, die er für Immigranten hielt, eine Person wurde getötet. Sämtliche Opfer hatten dunkle Haut- oder Haarfarbe. Der Täter war selber Sohn von Einwanderern – die Mutter kam aus Deutschland, der Vater aus der Schweiz.

Damals wie heute war die politische Debatte in Schweden ungewöhnlich stark von Fremdenfeindlichkeit geprägt. Im Jahr 1991 als die Schießereien in Stockholm begannen, zog mit „Ny Demokrati“ (Neue Demokratie) erstmals eine rechtspopulistische Partei in das nationale Parlament ein. Der Wiedereinzug gelang den Rechten aber 1994 nicht. Im selben Jahr wurde der damalige Täter gefasst. Vor gut einem Monat schafften die „Sverigedemokraterna“ (Schwedendemokraten) den Einzug ins Parlament – zum zweiten Mal sind in Schweden Rechtspopulisten im Reichstag vertreten. In den 1990ern wie heute polemisieren die Rechten gegen Einwanderer. In Schweden wird gemutmasst, dass das politische Klima den Nährboden für die ausländerfeindlichen Taten bereitet haben könnte. Immer wieder werden die Schüsse deshalb im Zusammenhang mit den Schwedendemokarten genannt. Nicht dass jemand behauptet, die Partei würde aktiv zu entsprechenden Taten aufrufen, aber eben Ausländerfeindlichkeit salonfähig machen.

Doch obwohl in den Medien entsprechende Vorwürfe wieder und wieder zu hören sind, ist von den Schwedendemokraten zu dem Thema erstaunlich wenig zu hören. Als ich einen Text über die Schüsse für die Welt schrieb, rief ich deshalb bei der Partei an. Der Sprecher nahm Abstand von den Angriffen und bestätigte, was ich vermutet hatte, nämlich, dass kaum ein schwedischer Kollege bei den Schwedendemokraten um einen Kommentar zu den Vorwürfen gebeten hatte. Eine gelinde gesagt seltsame Arbeitsweise, die die schwedischen Journalisten da an den Tag legen. Die Partei vertritt alles andere als liberale Ansichten und polemisiert gegen Ausländer, doch sollte sie als Beschuldigte auch die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen.

„Wir halten diese Schüsse für bedauerlich, aber können keine Verbindung zu uns sehen“, sagte mir einParteisprecher. Die Partei habe stets die Einwanderungspolitik kritisiert, aber nicht sich gegen die einzelnen Einwanderer gewandt, so der Sprecher. Obwohl die Rhetorik der Schwedendemokraten in den schwedischen Medien mehrfach mit den Schüssen in Malmö in Zusammenhang gebracht werde, habe es nur wenige Anfragen heimischer Medien gegeben, dazu Stellung zu beziehen, sagte er. „Dass wir nicht kontaktiert werden, ist ein Teil der Hetze gegen uns“, sagte er. Genauso wie ich von den schwedischen Kollegen erwartet hätte, bei den Schwedendemokraten eine Stellungnahme einzuholen, hätte ich allerdings auch von der Partei erwartet, selber mit einer entsprechenden Meldung an die Presse zu gehen.

Der Schächt-Verächter von Schweden?


KOPENHAGEN. Er könne keiner Fliege etwas zu Leide tun – vielleicht ist es jenes Image, das Jimmie Åkesson, anstrebt. Der junge Mann ist wie bekannt Parteivorsitzender der rechtspopulistischen Schwedendemokraten und frisch gewähltes Mitglied des schwedischen Reichstags. Als solches zieht er derzeit viel Aufmerksamkeit auf sich (auch dann, wenn er nicht gerade aus Protest die Kirche verlässt). Das norwegische Morgenbladet führte das Interview der Woche in der letzten September-Ausgabe mit dem Politiker. Dort offenbarte er, wieso die Ausländer Europa so gefährlich werden können. Es ist deren Umgang mit den Tieren!

Gefragt, ob es primär Muslime seien, die seiner Meinung nach lieber das Land verlassen sollten, antwortete Åkesson: „Das gilt für alle, die von kulturell rückständigen Ländern kommen. Muslime und andere, die fundamental unterschiedliche Sicht auf grundlegende Teile unserer Gesellschaft haben – Gleichstellung, Behandlung von Tieren, Demokratie und Konfliktlösung.“ Leider vertieft er sein Tier-Argument nicht. So bleibt nur, Vermutungen anzustellen – ist es das Schächten der Tiere, das Åkesson für so zurückgeblieben hält? Oder die Tatsache, dass in manchen Religionen kein Schweinefleisch gegessen wird oder vielleicht das Faktum, dass Rinder auf der Straße herumlaufen dürfen statt zusammengepfercht im Stall zu stehen? Jedenfalls ist es gut, dass man oder zumindest Åkesson die bösen Menschen daran erkennen kann, wie sie ihre Tiere behandeln. Noch habe ich nicht nachgeschaut, aber vielleicht schlagen die Sverigedemokraterna ja in ihrem Parteiprogramm vor, Asylantenheime nach der erzwungenen Abwanderung von 90 % der Einwanderer in Tier-Asyle umzubauen.

Schweden bald ausgezählt


Wahlzettel in einem Stockholmer Wahllokal. (Foto: Bomsdorf)
Wahlzettel in einem Stockholmer Wahllokal. (Foto: Bomsdorf)

KOPENHAGEN. Noch steht das endgültige Wahlergebnis in Schweden nicht fest, denn dort werden doch die Stimmen der Briefwähler ausgezählt. Es könnte durchaus sein, dass die Regierung Reinfeldt die ersehnte absolute Mehrheit doch noch erhält. Am morgigen Donnerstag werden wir es wissen. Wer mitfiebern will: das Ergebnis wird hier laufend auf den neusten Stand gebracht.

Wenn der Jimmie…


Jimmie Åkesson in grauer Jacke im Wahllokal in Stockholm. (Foto: Bomsdorf)
Jimmie Åkesson in grauer Jacke im Wahllokal in Stockholm. (Foto: Bomsdorf)

STOCKHOLM. Jimmie Åkesson ist mit seiner rechtspopulistischen Partei Sverigedemokraterna (Die Schwedendemokraten) in den schwedischen Reichstag eingezogen. Der Jubel war groß bei seiner vom Establishment geächteten Partei. Ganz klar, Åkesson und seine vermutlich 19 Mitstreiter im Parlament (das endgültige amtliche Endergebnis folgt erst am morgigen Mittwoch) wollen Einfluss bekommen. Eines der ersten Dinge, die die Schwedendemokraten machen wollen, ist den Hahn zu zudrehen. Gemeint ist, den Zuzug an Ausländern drastisch zu reduzieren. Denn wie sagte Åkesson in einem seiner Wahlwerbespots: Mit den Ausländern sei es wie mit einer Überschwemmung im eigenen Haus, um dem Herr zu werden, müsse als aller erstes der Hahn zugedreht werden. Solche Rhetorik sagt denk ich alles und offenbart, welche Gedanken dieser Mann hat. Wer sich seine Wahlvideos anschaut, versteht, warum nun wirklich niemand im schwedischen politischen Establishment mit dem Mann und seiner Partei zusammenarbeiten möchte. (Derzeit ist deren Hompage http://www.sverigedemokraterna.se gehackt – eine dumme Idee, denn so werden die Schwedendemokraten zu Märtyrern. Wenn hingegen die Homepage funktioniert und deren Spots angeschaut und Parteiprogramm gelesen werden können, dürfte diese Aufklärung sinnvoller sein.) In der heutigen Ausgabe der FTD haben Elmar und ich Åkesson porträtiert (online hier zu lesen).

Rechts wählt


STOCKHOLM. Über die Schwedendemokraten hat Elmar im Blog schon Einiges berichtet. Soeben ist auch unser gemeinsamer Text zum Thema in der Welt erschienen (hier online zu lesen).

Am Montag begegnete auch mir Jimmie Åkesson, der Vorsitzende der Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten, SD). Er war gerade auf dem Weg um seine Stimme vorab abzugeben. Ich kam gerade vom Mittagessen im Kulturhuset und wollte in die U-Bahn steigen, um zur Universität zu fahren und dort den Ökonomen Lars Calmfors zu interviewen. Kaum aus dem Kulturhuset raus fiel mir auf, dass nicht weit vom Ausgang entfernt auffällig viele Polizisten und Kameraleute rumstanden und der Journalistenreflex ließ mich in deren Richtung gehen, weshalb ich Zeuge wurde, wie Åkesson von Polizei beschützt und Medien begleitet die gut hundert Meter schritt, um zu wählen.

Unter Polizeischutz und von Medien bewacht: Jimmie Åkesson auf dem Weg zur vorzeitigen Stimmabgabe. (Foto: Clemens Bomsdorf)
Unter Polizeischutz und von Medien bewacht: Jimmie Åkesson auf dem Weg zur vorzeitigen Stimmabgabe. (Foto: Clemens Bomsdorf)

Im Nachbarland Dänemark war in den vergangenen Wochen geklagt worden, dass die Schwedendemokraten von den Medien totgeschwiegen würden. Das aber ist nun wirklich nicht der Fall. Ihm und seiner Partei wird sicher nicht so viel Raum eingeräumt wie dem dänischen Pendant, aber das muss ja auch nicht sein. Schließlich ist SD nicht so mächtig und zum anderen bleibt den Medien auch noch selber überlassen, was sie wie stark gewichten. Früher jedenfalls wären Filme wie der von Wilders oder angedrohte Koran-Verbrennungen wie die in den USA allenfalls eine Nachricht wert gewesen, weil sie eben nur plump provokativ sind und mehr nicht. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat sich das geändert und manches mal wird auch eigentlich kaum beachtenswerte Ereignisse  sehr viel Raum eingeräumt. Dabei geht das eigentliche dann verloren: wie schlecht gemacht und plump Wilders Film beispielsweise ist (so unprofessionell verdient er meiner Meinung nach nicht einmal das Attribut Propaganda).

SD kommt es ebenfalls wenig darauf an, den wirklichen Diskurs zu suchen. So erweckt die Partei beispielsweise den Eindruck, Vergewaltigungen mehr oder weniger komplett verhindern zu können, indem die Einwanderung drastisch eingeschränkt wird (als wenn nur Ausländer vergewaltigen). Wie das Pendant in Dänemark (und nicht nur dort) plädiert SD nicht nur für nationale Werte, sondern lobt das eigene Land und die „Schwedenhaftigkeit“ in den höchsten Tönen. Seine Wahlspots, in denen Åkesson stets vor einer nationalromantischen schwedischen Landschaft steht, beginnt er stets mit dem Satz „Wir wohnen in einem phantastischen Land“, um dann zu referieren, was in diesem phantastischen Land so alles schief läuft und wer das ändern könnte: SD natürlich. U.a. vergleicht er die Einwanderung mit einer Überschwemmung im eigenen Heim und hat auch gleich die Lösung bereit: wenn daheim eine Überschwemmung ist, dreht man zuerst den Hahn ab – das will auch SD tun.

Der Jungpolitiker wirkt etwas steif wenn er seine Reden vorträgt. Nur seine Augen sind nahezu starr – vermutlich weil er den Text von der gegenüberliegenden Seite abliest. Wer sein Wahlprogramm lesen möchte, kann dies hier tun.

Sehr lesenswert ist übrigens auch diese in der Süddeutschen erschienene Außenansicht des im Sommer emeritierten Skandinavistik-Professors Bernd Henningsen.