DSK, Arni und Louise Bourgeois’ Höllenfeuer in der Arktis


VARDØ. Die Zeitungen auf dem Fliegersitz neben mir berichteten von den Eskapaden der männlichen Mächtigen – mal legal (Arnold Schwarzenegger), mal vermutet illegal (Dominique Strauss-Kahn). Es ist Mitte Mai und ich bin gerade im äußersten Norden von Festland Norwegen angekommen. Kunst und Architektur stehen auf dem Programm – das neuste Werk von Peter Zumthor (mittlerweile vom Serpentine Pavillon überholt) und das vorletzte im öffentlichen Raum von Louise Bourgeois. Die Grand dame der feministischen Kunst hat mit dem Schweizer Einsiedler Architekten ein Mahnmal, das an die Hexenverbrennung erinnern soll entworfen.

„Was sie daran interessierte, war nicht nur, dass die meisten, die als Hexen verbrannt wurden, Frauen waren, sondern auch, dass was damals mit den Frauen geschah, auch heute in vielen Teilen der Welt Frauen angetan wird. Vielleicht werden sie nicht verbrannt, sondern gesteinigt oder ihnen wird Säure ins Gesicht geschüttet“, sagt Bourgeois langjähriger Assistent Jerry Gorovoy um zu erklären, warum Bourgeois die Aufgabe angenommen hat, das Mahnmal zu erstellen. „Alles bei ihr hat eine doppelte Bedeutung“, sagt er auch.

Natürlich konnte die vor einem Jahr Verstorbene es nicht ahnen, dass dieser Tage, wo „Arni“ und „DSK“ Schlagzeilen machen, die doppelte Bedeutung ihrer Arbeit in erster Linie darin liegt, dass sie daran denken lässt, wie im 21. Jahrhundert auch in der so genannten westlichen Welt in besonderer Weise gilt „It`s a Man`s World“. Sie und Niki de Saint Phalle sind wohl die bekanntesten Künstlerinnen, die sich am eigenen Vater, an der Vaterfigur und der Männlichkeit abgearbeitet haben. (Inzestuöse) Vergewaltigung und das Kindermädchen als jahrelange Zweitfrau – gemeinsam kommen die beiden Künstlerinnen auf eine Geschichte, die den aktuellen Schlagzeilen ähnelt.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wirft DSK und das ihm vorgeworfene Vergehen mit Arnis Fehltritten sowie außerehelichen Liebschaften diverser Spitzenpolitiker in einen Topf als seien mutmaßliche Vergewaltigung und Fremdgehen das gleiche. Immerhin haben die Autoren recht, wenn sie meinen, dass es sich nicht um sexuelle Abenteuer und Seitensprünge auf Augenhöhe handelte, sondern der Mann der Machtvollere war und in beiden Fällen mindestens eine Frau die Leidtragende. Nein, das Leiden dieser Frauen, ist nicht das einer Hexe, einer Ausgestoßenen, die getötet werden wird. Aber es ist eine Frau die leidet – wie bei Bourgeois oft thematisiert. Dazu schrieb ich auf für die online Ausgabe von art.

Island ≠ Krisland?


KOPENHAGEN. Auf Island ist die Welt fast schon wieder in Ordnung. Zumindest wenn man dem neusten Länderbericht der OECD glauben darf. Demnach steht der Inselstaat, in dem vor knapp drei Jahren als erstem die FInanzkrise voll ausbrach, mehr als den Umständen entsprechend gut da. „Island ist dabei die wirtschaftlichen Probleme, die die Finanzkrise hinterließ, zu lösen“ lautet der allererste Satz der Zusammenfassung des aktuellen Wirtschaftsberichts Island. Dann heißt es, das Land sei „weit fortgeschritten“ bei der Umsetzung des Programms, das der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Inselstaat auferlegt hat. „Es ist viel getan worden, um den Finanzsektor wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen“, heißt es auch noch. So viel positive Worte – das ist ungewohnt für die in Paris ansässigen OECD-Ökonomen, die sonst meist bedacht sind, die Lage düster darzustellen, um zu noch mehr Reformen anzuspornen. Mehr dazu heute in der Welt oder online hier.

Aus der Traum?


KOPENHAGEN. Plötzlich ist er wieder unterschwellig da, zwischen den Zeilen taucht er auf – der deutsch-dänische Kleinkrieg. In den Wochen nachdem Dänemark angekündigt hat, die Grenzen künftig stärker kontrollieren zu wollen, lässt Deutschland schwere verbale Geschütze auffahren. Die Spitzen von Politik und Diplomatie kritisieren das Nachbarland scharf. Erst ruft Außenminister Westerwelle seine dänische Kollegin an und verkündet das in einer Pressemitteilung, dann folgen Hoyer und Zimmermann sowie der deutsche Botschafter in Kopenhagen. Nein, was Dänemark da plane, das ginge nicht, lassen sie über die Medien die Öffentlichkeit und Politik wissen. Schön und gut, aber Hoyers Aussagen kommen in Dänemark so an als fürchte er ein extrem nationalistisches Dänemark. Schließlich bringt das ZDF noch eine Satiresendung in der der Grenzbezirk zum neuen Todesstreifen wird. Nein, das finden viele Dänen gar nicht komisch.

Vielleicht greifen sie deshalb ungefähr zur selben Zeit im Juni den deutschen Künstler Thomas Kilpper verbal an. Dieser ist einer der achtzehn Außerwählten, die Dänemark auf der Biennale in Venedig vertreten dürfen. Ohnehin wurde schon vor Wochen geklagt, dass von den dänischen Künstlern im dänischen Pavillon nur zwei Dänen sind. Als dann Kilpper seine Arbeit zeigte, war der Ärger da: Dänische Spitzenpolitiker würden dort mit Füßen getreten, klagten Kunstbürokraten und Politiker. Kilpper nämlich hatte den Boden des Pavilloanbaus mit Politikerportraits ausgeschmückt. So als seien es römische Mosaike zierten sie den Boden und wer hineinging, trat zwangsläufig drauf, so auch ich als ich Anfang Juni in Venedig war. Diese Symbolik war Kilpper, der unter anderem Pia Kjærsgaard, Chefin der dänischen Rechtspopulisten, und Angela Merkel im Boden verewigte, sicher recht. Die Reaktionen der dänischen Politiker zeigen wie auch schon deren Klagen über zu wenig dänische Beteiligung, dass Meinungsfreiheit bei ihnen vielleicht gar nicht so hoch im Kurs steht wie sie vorgeben. Meinungsfreiheit ist auch Thema des dänischen Biennale-Beitrags. Diesem der dänischen Politik zu Zeiten der Mohammed-Krise so wichtigen Gut gemäß, hätten sie vielleicht einfach sagen sollen „Lasst den Künstler sich doch äußern wie er mag“.

Es ist ein paar Jahre her, da versuchten ein paar dänische Medien den Deutschenhass in Ihrem Land herbeizuschreiben. Damals war gerade das Buch „Den som blinker er bange for døden“ von Knud Romer erschienen. Wenig später kam es unter dem Titel „Wer blinzelt, hat Angst vor dem Tod“ dann auch in Deutschland heraus. Romer schildert in dem Roman wie sein Namensvetter als Sohn einer Deutschen und eines Dänen in der dänischen Provinz in den 1960ern aufwächst. Er hat gelitten und die Abweisung durch Schulkameraden als Verschmähung seiner deutschen Seite aufgefasst. Doch der Deutschenhass von dem einige Blätter damals schrieben, es musste lange gesucht werden um ihn zu finden. So gut das Buch war, taugte es nicht einen im verdeckten doch noch immer vorhandenden Konflikt zwischen den beiden Nachbarländern ausfindig zu machen. Bleibt zu hoffen, dass die jetzigen deutsch-dänischen Unruhen von einem eigentlich sehr freundschaftlichen Verhältnis künden, einem nämlich, in dem man sich kritisiert, um einander zu helfen.

Für Die Welt schrieb ich hier über Kilppers Pavilion und hier über den Trend gen Rechts in Dänemark.

Reise-Pause


VARDØ, OSLO, WANÅS, VENEDIG und immer wieder KOPENHAGEN – es waren in den vergangenen Wochen einfach zu viele Recherchereisen als dass der Blog zumindest im Zweitagerhytmus hätte gepflegt werden können. Und morgen geht es schon wieder nach Norwegen. Ich hoffe dennoch bald wieder zu mehr Aktualität zurückkehren zu können. Denn es geschieht weiter viel.