Wo bleiben die Lego-Lesben?


KOPENHAGEN. Dieser Tage dürfte unter Millionen Weihnachtsbäumen in Europa mindestens ein Paket mit Lego als Geschenk gelegen haben. Das Plastik-Spielzeug aus Dänemark ist auch Jahrzehnte nachdem es das erste Mal in die Geschäfte kam, eines der beliebtesten Spielzeuge. Ritter, Rennfahrer, Raumfahrer – plastikgewordene Abenteuerutopien wünschen sich viele Jungs.

Aber eben auch fast nur Jungs. Das Unternehmen hat nämlich ein Problem: es spricht vor allem männliche Kinder an. Mädchen interessieren sich kaum für die Klötze und Figuren. Damit entgeht Lego ein enormer Markt. In einem Gastkommentar für die schwedische Zeitung Aftonbladet haben die Journalisten und Eltern Ulrika Hjorth und Tobias Östberg dieser Tage eine Frauenquote für die Legokiste gefordert.

Tatsächlich entdeckt, wer sich im Lego-Katalog oder auf der Internetseite umschaut, kaum Anzeichen davon, dass weibliche Figuren im Lego Universum eine Rolle spielen. Der Verdacht liegt nahe, dass sie als Heimchen am Herd stehen und deshalb nirgends auftauchen, schließlich spielt sich in Legoland das Leben meist außerhalb der vier Plastikwände ab. Und wenn es doch einmal als weiblich zu identifizierende Figuren gibt, dann frönen sie zumeist dem Müßiggang. Hjorth und Östberg haben nur eine arbeitende Legofrauen finden können – sie füttert Schweine. Ausgerechnet aus dem fortschritllichen Nordeuropa kommt also ein Unternehmen, das ein Familienbild aus dem Deutschland der 1950er propagiert. Während überall in Westeuropa mehr und mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind, ist das weibliche Geschlecht in Legoland so gut wie nicht präsent. „Das Umgekehrte wäre selbstverständlich undenkbar. Ein Legoland in dem die Frauen herrschen wäre alsbald verurteilt worden als eine Schöpfung rabiater Geschlechterpädagogen“, so die beiden Schweden.

Allerdings muss zur Verteidigung von Lego eingewandt werden, dass es gar nicht so einfach ist, die Figuren eindeutig männlich oder weiblich zu machen. Selbstverständlich ist keinerlei primäres Geschlechtsmerkmal zu erkennen. Die sekundären glänzen häufig ebenfalls durch Abwesenheit. Bärte sind ab und an zu erkennen, ansonsten könnte man den Figuren auch Geschlechtsneutralität nachsagen. Wenn da eben nicht ständig die Rede vom Legomännchen wäre. Damit ist eigentlich akzeptiert, dass die Figurenschöpfer ihren Plastikmenschen fast immer ein X- und ein Y-Chromosom gegeben und sie damit zu Männern gemacht haben.

Der Einwand von Hjorth und Östberg kann als Teil eines dänisch-schwedischen Kulturkampfes gesehen werden. Zwar steht die Gleichstellung bei allen nordischen Ländern weit oben auf der Agenda, doch während Schweden die politisch korrekte Vorreiterrolle einnimmt, wird das Thema in Dänemark deutlich entspannter gesehen. In Schweden ist etwa der Gang zur Prostituierten schon seit Jahren illegal und selbst die konservativ-liberale Regierung erwägt eine Frauenquote für Aufsichtsräte nach dem norwegischen Vorbild einzuführen. Beides Initiativen, die in Dänemark immer wieder im Sande verlaufen, wenn sie mal wieder vorgeschlagen werden.  

Doch vielleicht herrscht in Legoland gar nicht das Partriarchat im klassischen Sinne. Die gelbgesichtigen Lego-Männchen könnten auch eine Homosexuellenwelt darstellen, so wie die blauen Schlümpfe wenn der Komiker Otto Waalkes über sie dichtet. In dem Fall würde das Lieblingsspielzeug von vielen Kindern schon früh darauf vorbereiten, dass die Welt nicht immer so ist wie es sich viele Eltern vorstellen. Das sollte auch die progressivsten Schweden zufriedenstellen. Dann bleibt allerdings die Frage, wo die Lego-Lesben leben und wo die Heteros und wieso die Plastikfiguren eigentlich gemäß ihren sexuellen Neigungen getrennt werden.

All das kann ich auf die schnelle auch nicht beantworten, wer aber mehr zur Lage von Lego und dem Geschlechterkampf um die Lego-Männchen erfahren möchte, dem sei mein Text in der Welt am Sonntag nach Weihnachten empfohlen, online hier zu lesen. Lego und Sex ist vermutlich so alt wie Lego selber, doch auch die Duplo-Figuren haben ihre Unschuld längst verloren – siehe mein Text in The Art Newspaper.